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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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Portrait dem Prokuristen zu bringen. Wenn sie so stark daran interessiert war, das zu verhindern, konnte es nur eins bedeuten. Sie gab nur vor, krank zu sein.
    Ich hatte Blut geleckt.
    Ein weiteres Mal klingelte ich, dieses Mal Sturm, und ein ganzes Glockenspiel erwachte hinter der Tür. Schuldbewusst warf ich einen Blick über die Schulter, aber kein wütender Nachbar erschien auf der Bildfläche. Doch auch die Tür vor mir blieb hartnäckig geschlossen.
    Ratlos biss ich auf der Unterlippe herum. Und nun? Ich konnte mich ins Auto setzen und warten, bis Kirsten auftauchte. Vielleicht war sie beim Arzt. Oder beim Shoppen. Oder sie war zu Hause und musste irgendwann zum Arzt oder einkaufen. Allerdings konnte ich nicht den ganzen Tag im Auto warten. Dummerweise hatte ich nicht nachgefragt, was ich tun sollte, wenn ich eine der Zielpersonen nicht antraf.
    Der Gedanke, mit leeren Händen zu ABM zurückzukehren, gefiel mir ebenso wenig wie das Herumstehen vor verschlossenen Türen. Dumme Zwickmühle. Frustriert trat ich gegen die Tür.
    Sie schwang ein kleines Stück auf.
    Ich blinzelte überrascht. Durch den schmalen Spalt konnte ich nichts erkennen, trotzdem verriet er mir eine ganze Menge. Entweder war Kirsten sehr nachlässig, hatte ihre Wohnung in höchster Eile verlassen – Flucht? –, war Opfer eines Überfalls oder einer Entführung geworden oder es war in LaBrock üblich, seine Türen offen stehen zu lassen.
    Ich grübelte. War es dann auch üblich, dass man als Fremder einfach eintrat? Mit einem vorsichtigen Blick zur Nachbartür legte ich eine Hand auf die kühle Fläche und drückte sie auf.
    Kirsten Herms hatte nicht nur ein Faible für Glocken, sondern ganz eindeutig auch für Gänse. Im länglichen, selbstverständlich weiß gestrichenen Flur entdeckte ich nicht nur eine Motiv-Zierborte, sondern auch drei gerahmte Bilder, auf denen die Schnattertiere in verspielter, ländlicher Idylle grasten.
    Ich lauschte. Wenn ich Kirsten vergnügt im Bad planschen hörte, konnte ich schnell den Rückzug antreten.
    Doch ich hörte nichts. Vorsichtig zog ich die Tür hinter mir ins Schloss, um nicht beim unfreiwilligen Einbruch erwischt zu werden. Ich wäre nicht der erste Mensch, den man aus falschen Gründen verhaftete. Um sicherzugehen, prüfte ich die Tür erneut. Vielleicht war das Schloss ja defekt. Aber obwohl ich kräftig zog, bewegte sie sich keinen Millimeter.
    Es war an der Zeit für Stufe zwei.
    Zögernd schlich ich den länglichen Flur hinab.
    »Hallo?« Keine Antwort.
    Ich presste mich mit dem Rücken gegen die Wand, tastete mich zum nächsten Türrahmen vor und sah in das Zimmer. In einer Ecke prangte eine Gänsefamilie auf dem Sofaüberwurf. Die drei Cocktailkissen, ordentlich drapiert, zeigten je eine Gans mit Strohhut. Ich hatte das Wohnzimmer entdeckt und den Beweis gefunden, dass der schlechte Geschmack in der Flurdekoration kein Ausrutscher war. Kirsten war nicht zu sehen. Ich trat ein und entdeckte zwischen Fernsehstation, Grünpflanzen und Schrankwand mehrere Gänsefiguren, eine Gänseuhr und zwei weitere Bilder. Wahrscheinlich brauchte Kirsten diese Bilder, um eine schräge Verbindung zu ihrem Arbeitsplatz zu halten – tagsüber das Geschnatter der Telefonisten, am Abend schweigende Gänse.
    Ich verzog den Mund und gab diesen Gedanken schnell auf. Zur Psychologin eignete ich mich nicht. Zur Polizistin übrigens auch nicht, denn plötzlich fiel mir siedend heiß ein, dass ich die Gegend hinter mir vollkommen außer Acht gelassen hatte. Es kribbelte in meinem Nacken und die Härchen auf meinen Armen stellten sich auf. Mit einem erstickten Keuchen drehte ich mich um und sah, zu meiner großen Erleichterung, nichts.
    »Mach dich nicht selbst verrückt«, murmelte ich und ging weiter den Flur hinab, wobei ich alle drei Schritte »Hallo« rief. Meine Füße gehorchten mir nur widerstrebend, aber ich blieb knallhart. Vor der nächsten Zimmertür – sie war geschlossen – dehnte ich meine Sprechrolle aus. »Kirsten Herms? Ich komme von ABM.«
    Wieder keine Antwort. Ich legte meine Finger auf die Klinke, erinnerte mich an die Szenen in Polizeifilmen und konzentrierte mich. Dann stieß ich die Tür auf, wartete zwei Sekunden und wirbelte über die Schwelle.
    Ich stand im Schlafzimmer. Die Tiermotive auf der Bettwäsche überraschten mich nicht. Zudem besaß Kirsten anstelle einer Nachttischlampe eine hüfthohe Gans, aus deren Flügel ein Kabel ragte. Dafür blieb mir der Anblick einer Kirsten in

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