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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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wurden und letztlich Lagerhallen und Garagen wichen, deren Dächer an manchen Stellen nur notdürftig geflickt waren.
    An der nächsten Kreuzung hielt ich mich nach Osten und wurde bald von Wiesen und kleinen Waldstücken mit ersten blütenweiß getünchten Wohnhäusern belohnt. Blumentupfer und knatternde Windräder erzeugten Landidylle. Ich war allein auf der Straße, also fuhr ich langsamer, um einen Blick auf die Karte zu werfen.
    Noch war ich richtig. Erst jetzt bemerkte ich, wie angespannt ich war. Ich überfuhr ein Stoppschild, als ich überlegte, wie ich meine Sicherheit am Arbeitsplatz – der immerhin die gesamte Stadt war – erhöhen konnte. Ich überfuhr ein zweites Stoppschild. Erst, als mir die Häuserreihe dahinter bekannt vorkam, begriff ich, dass ich im Kreis fuhr – und ich hatte keine Ahnung, wo ich war.
    Etwas polterte auf die Motorhaube. Zu Tode erschrocken trat ich auf die Bremse und starrte wie paralysiert nach vorn. Der Kerl, der mein Auto mit einer knappen Handbewegung zum Stehen gebracht hatte, trug eine spiegelnde Glatze und eine Unmenge Falten im Gesicht. Er war alt, aber das konnte ich ihm nicht vorwerfen. Die strahlend gelben Augen, die mich an ein Reptil erinnerten und vor allem pupillenlos waren, gehörten da schon in eine ganz andere Kategorie.
    Hektisch versperrte ich die Türen. Als ich nach vorn sah, blickte der Alte mich noch immer an, doch nun wirkten seine Augen leicht trüb und braun, die schwarze Stecknadel in der Mitte war eindeutig zu erkennen. Er schüttelte seine Faust und brummelte etwas, dann schlurfte er seines Weges. Fassungslos sah ich ihm hinterher. Seine Gebrechlichkeit stand in keiner Verbindung zu der Tatsache, dass er soeben ein Auto gestoppt hatte, auch wenn es langsam gefahren war.
    Ich wartete, bis er um die Ecke bog, und stieg aus, um den Schaden an der Karosserie zu begutachten. Es war nichts zu sehen, bis auf das Verkehrsschild. Es machte mich auf den Zebrastreifen aufmerksam, den die Räder bereits berührten.
    Ups.
    Ich wollte wieder einsteigen, da entdeckte ich zu meiner Linken ein weiteres Schild mit dem gesuchten Straßennamen. Bingo! Vielleicht hatte es sich bei dem seltsamen alten Mann nicht um einen Höllendiener, sondern um meinen Schutzengel gehandelt.
     
    Wenig später stand ich vor der Haustür von Kirsten Herms, meinem Zielobjekt. Die Leiterin des ABM-Callcenters wohnte im Erdgeschoss, was mir nicht so recht passte. Hier fiel ich mit meiner Kamera jedem auf, der das Mietshaus mit seinen vier Wohnparteien betrat. Ich hatte nicht vor, wie eine sensationsgeile Idiotin vor Kirstens Haustür zu stehen.
    Die Klingel besaß ein lustiges Namensschild, auf dem zwei stilisierte Glocken zu sehen waren, die sich gegenseitig anbrüllten. Scheinbar hatte Kirsten etwas Humor in die Wiege gelegt bekommen. Damit übertrumpfte sie immerhin den Rest der Umgebung, denn die Hausgemeinschaft gab sich Mühe, den Flur möglichst trostlos wirken zu lassen. Eigentlich eine gute Taktik, denn so hielt sich niemand länger als nötig darin auf – was bedeutete, dass sich weniger Dreck ablagern konnte. Die Treppen waren grau, die Wände weiß und die Rahmen um die weißen Türen wieder grau. Weder Grünpflanzen, Gemälde noch Kinderschuhe verunstalteten das Bild. Mit meinem weinroten Shirt fühlte ich mich wie auf dem Präsentierteller.
    Ich zögerte und rief mir meinen ersten Erfolg in Erinnerung. Vor mir lag zwar nicht die angenehmste Aufgabe, dennoch hatte sie sich nicht als unmöglich, noch nicht einmal als schwierig herausgestellt. Einfach klingeln, ein Foto machen und wieder verschwinden. Selbst, wenn Kirsten Herms mir einen ihrer Hassblicke schickte, musste sie erst gesund werden, um mich bei ABM wiederzusehen. Vielleicht würde sie bis dahin ihre Wut vergessen. Oder ich mich zum Kampfsporttraining anmelden.
    Also, Finger drauf und durch. Ich brachte die Kamera und mich in Position.
    Ein sanftes Klingeln von Kirchenglocken war hinter der sorgfältig gestrichenen Tür zu hören. Das wurde ja immer besser. Ich biss mir auf die Fingerknöchel und bemühte mich, die Kamera weiter in Anschlag zu halten.
    Nach einer Weile begann mein Arm zu zittern . Beherzt klingelte ich ein weiteres Mal und trat einen Schritt näher an die Tür heran. Nichts. Kein Geräusch, kein wütendes Geschrei, kein Blumentopf an meiner Stirn. Womöglich hatte Kirsten mich vom Fenster aus beobachtet, den Firmenwagen erkannt und messerscharf geschlussfolgert, dass ich hier war, um ihr

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