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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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an einen kleinen Jungen. Das waren ja ganz neue Töne. Der rothaarigen Militärfrau hätte ich niemals derartiges Interesse zugetraut.
    »Vielleicht will sie auch einfach nur wissen, wie sehr du dich in diesen halbillegalen Dingen auskennst«, gab ich zu bedenken. »Du könntest ja der Firma schaden. Geheime Daten offenlegen. Oder für anderen Ärger sorgen.«
    Seine Mundwinkel fielen in Rekordgeschwindigkeit herab und er sah so verschreckt aus, dass ich beinahe Mitleid mit ihm bekam. Also fragte ich schnell nach dem Innenleben seines Computers, um ihn abzulenken, und schwenkte wieder auf die wirklich spannenden Dinge, als er sich erholt hatte. Und da erfuhr ich mehr oder minder interessante Sachen.
    Der Prokurist war wahnsinnig stolz auf seinen Privatwagen und wurde nicht müde, den EDVlern oder Stacey zu erzählen, wie schnell und auf wie viele Kilometer pro Stunde er ihn hochziehen konnte, und er vergaß niemals zu bemerken, dass seine Verlobte eine großartige Architektin sei – in Wahrheit absolvierte sie ein Praktikum bei einer Baufirma. Überhaupt faszinierte mich die Tatsache, dass er eine Freundin besaß. Meine vorsichtige Frage, ob diese Liaison womöglich von einem Vermittlungsinstitut in die Wege geleitet worden sei, verursachte bei Neil einen Lachanfall. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass der Gedanke an solch eine Einrichtung in LaBrock generell absurd war, stimmte aber mit ein. Die Momente kollegialer Verbundenheit taten einfach gut.
    Neils Gegröle erstarb, als sich die Tür öffnete. Der Prokurist reckte all seine Zentimeter in die Höhe und blickte uns wie eine Hyäne an. Reflexartig griff ich nach einem Zettel aus Kirstens Akte und bemühte mich, ihn möglichst beiläufig in den Händen zu halten. Neil verfolgte dieselbe Taktik und hämmerte etwas auf seine Tastatur. So musste es in einem Büro zugehen.
    Ich wagte ein höfliches Lächeln in Richtung meines Vorgesetzten, konnte aber nicht feststellen, ob er es wahrnahm. Er sah erst Neil, dann mich strafend an, ehe er sich zurückzog und die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Wir warteten beide ab. Ich, weil ich lauschte, ob sich Schritte entfernten. Bei Neil konnte es sein, dass er einen Schock verdaute. Seine Lippen waren leicht geöffnet und es dauerte, bis er die Tür aus den Augen ließ. Die Beute sicherte, ob das Raubtier wirklich abgezogen war.
    Ich wartete, bis seine Brust sich in einem ruhigeren Rhythmus hob und senkte.
    »Alles ok?« Das reichte. Ich wollte ihn nicht überfordern.
    Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Wir müssen mehr aufpassen. Nicht mehr so laut lachen.«
    Mir fehlten die Worte. Doch für Neil war es beschlossene Sache, dass nun wieder Arbeit auf dem Plan stand, also senkte ich ebenfalls meinen Kopf. Zunächst schnappte ich mir Kirstens Lebenslauf und gab mich der Genugtuung hin, dass die gute Frau dreiunddreißig war. Zehn Jahre älter als ich! Was auch immer sie mir antun würde, falls ich sie aufstöberte, ich besaß die Genugtuung der Jugend.
    Sie hatte zwei Elternteile, Annett und Paul, war also nicht in einem skurrilen Experiment gezeugt worden. Dazu einen Bruder namens – ich sah zweimal hin – Carsten, zwei Jahre älter. Kirsten und Carsten. Annett und Paul bewiesen einen merkwürdigen Sinn für Humor, wenn es um die Namen ihrer Sprösslinge ging. Vielleicht war die bitterböse, strenge Miene von Kirsten ihre Art, gegen ihr durchgeknalltes Elternhaus zu rebellieren.
    Nun galt es, die geeignete Kontaktperson zu wählen. Ich überlegte kurz, entschied mich für Carsten und wandte mich dem Computer zu. Dieses Mal nutzte ich das Passwort, das Stacey mir notiert hatte, und loggte mich ein. Der Desktop sah normal aus, aber ich bezweifelte auch, dass die Geheimnisse der Höllenfürsten LaBrocks offen zugänglich wären. Gut, einige Icons auf der Oberfläche sah ich zum ersten Mal in meinem Leben, aber ich war auch nicht unbedingt ein Computerfreak. Das Internet funktionierte, und so saß ich zu meiner Erleichterung bald einer bekannten Startseite gegenüber. Ob es hier eine Adress- und Telefonauskunft gab?
    Es gab sie. Und es gab auch einen Carsten Herms in LaBrock. Nur einen. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Der Gedanke, eine ganze Reihe von Namensvettern durchzutelefonieren, behagte mir nämlich ganz und gar nicht. Je mehr Anrufe, desto höher die Chance, dass sich etwas darunter befand, mit dem ich mich nicht auskannte. Werwölfe, Kobolde, Klabautermänner. Momentan standen die Chancen,

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