Nicht menschlich Inc.
dass Carsten wie seine Schwester zumindest biologisch ein Mensch war, nicht schlecht.
Ich griff zum Hörer, zwang mich, ruhig zu atmen und überlegte, was ich sagen sollte. Nachdem ich Carstens Nummer gewählt hatte, drückte ich den Hörer ans Ohr – und sofort wieder weg. Da war kein Freizeichen, sondern eine monoton klingende Männerstimme. Wieder und wieder blökte sie mir »Vorgang läuft« entgegen. Ein wenig nerviger als langweilige Warteschleifenmusik, aber durchaus erträglich, wenn man die erste Verwunderung hinter sich gebracht hatte. Endlich veränderte sich das Gebrabbel. Der Mann schwieg, dafür verkündete mir eine sanfte Frauenstimme »Verbindung hergestellt«.
Ha! Der Mann sorgte für die Hinhaltetaktik und die Frau mischte sich erst ein, wenn es etwas wirklich Wichtiges zu sagen gab. Ich hatte nur wenig Zeit, meinen Triumph auszukosten, denn sofort war da wieder eine Männerstimme. Sie klang alles andere als monoton.
»Ja. Herms.«
Im Hintergrund konnte ich hämmernde Musik ausmachen. »Guten Tag. Spreche ich mit Carsten Herms?« Vorsichtshalber hakte ich nach.
»Ja.« Seine Belustigung war deutlich hörbar. »Und mit wem spreche ich?«
Ich richtete mich auf. »Mein Name ist di Lorenzo. Ich arbeite für Adamant Bunch Marketing und bin auf der Suche nach Ihrer Schwester Kirsten. Sie sind doch der Bruder von Kirsten Herms, nicht wahr?«
»Ja, der bin ich. Passt mir gut, dass Sie anrufen. Sollen wir uns irgendwo treffen?«
»Ich … ähm … ja, gut.«
Ich war perplex. Ich hatte mit Misstrauen gerechnet, mit Gezeter, Beleidigungen oder Fangfragen, bei denen ich mich verhaspeln und meine Unwissenheit preisgeben würde. Stattdessen forderte man mich zu einem Treffen auf, bei dem ich mir alle wichtigen Informationen notieren und erfahren würde, wo sich Kirsten aufhielt.
Vielleicht wohnte sie ja derzeit bei ihrem Bruder, damit der sich in ihrem geschwächten Zustand um sie kümmern konnte. Oder ihre Krankheit – oder der Prokurist – hatte sie in den Wahnsinn getrieben und sie verbrachte die Zeit damit, angetan mit einem schicken weißen Kittel durch eine aufprallgeschützte Zelle zu hüpfen.
Carsten riss mich aus meinem Hochgefühl.
»Schaffen Sie es in einer halben Stunde?«
Meine Gedanken rasten. Wie groß war LaBrock?
»Ich … sicher. Besser aber in einer.«
»Okay, in einer Stunde im Holysmacks. Bis denn.«
Er nahm mir jede Chance, auch nur das Geringste nachzufragen, und legte auf.
Ich starrte den Hörer an, bemerkte, dass mein Mund offenstand, und presste die Lippen aufeinander. Nervosität schlich sich an und brachte meine Zehen zum Kribbeln.
Ich widmete mich zunächst den Dingen, die mir keine Probleme bereiteten: Telefon in die Ladestation stellen, Neil einen verzweifelten Blick schicken – der unbemerkt blieb – und den Gedanken, Neil um Rat zu fragen, gleich wieder verwerfen. Nein, ich musste aufpassen, was ich tat. Womöglich war das Holysmacks – ein ziemlich dämlicher Name für was auch immer – ein angesagter Schuppen oder eine renommierte Fast-Food-Kette und ich würde mich verraten oder verdächtig machen, wenn ich es nicht kannte.
Es gab jemanden, den ich fragen konnte.
Entschlossen stand ich auf und machte mich auf die Suche nach Desmond.
11
Klubatmosphäre
S o weit war es mit mir schon gekommen, ich ließ mich von Dingen fesseln, denen ich zuvor nie Beachtung geschenkt hatte. Das irritierte mich, vor allem, weil ich gerade mit der Hürde namens Carsten Herms beschäftigt war. Trotzdem konnte ich meine Aufmerksamkeit nicht von dem Schmutzstreifen losreißen, der sich ein kleines Stück unterhalb meiner Sichthöhe befand. Er war schmal und leicht geteilt am unteren Ende, während das obere eine kleine Kurve beschrieb, um dann in einzelne Punkte überzugehen. Absolut faszinierend, vor allem auf gebräunter Männerhaut.
»Ich brauche hier mindestens noch fünfzehn, zwanzig Minuten«, sagte Desmond. Er machte mit seiner knappen Aussage ein hektisches Dilemma aus meiner Tagesplanung. Ich merkte, wie sich meine Verzweiflung auf meinem Gesicht ausbreitete, konnte aber nichts dagegen tun.
»Okay, in fünfzehn Minuten bist du auf jeden Fall fertig?«
Ich blickte zweifelnd auf den dunkelgrauen Edelflitzer des Prokuristen, der mich mit seiner offenen Motorhaube an ein großes Insekt erinnerte. Abgesehen davon mochte ich das Koboldbaby auf vier Rädern generell nicht sonderlich, denn es boykottierte meine Pläne.
Desmond klang, als würde
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