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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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wurde intensiver, blieb aber so vorsichtig, als hätte er Angst, mir wehzutun. Ich schmiegte mich an ihn und spürte, dass er angespannt war, als hielte er sich gewaltsam zurück.
    Viel zu früh löste er sich von mir.
    »Wir achten darauf, dass dir nichts geschieht«, flüsterte er an mein Ohr und schickte einen weiteren Schauder über meine Haut.
    Ich unterdrückte einen enttäuschten Ausruf, als er mich losließ. Seine Brust hob und senkte sich, und er blickte zu Boden. Dann nahm er das Papier, das noch immer zusammengeknüllt auf dem Tisch lag, ging zum Abfalleimer, riss es in kleine Fetzen und ließ sie fallen. Wie Schneeflocken tanzten sie hinab und waren kurz darauf verschwunden.
    Es war gut, dass der Prokurist mich erst später am Tag in sein Büro zitierte, denn in den Folgestunden war mit mir nicht viel anzufangen. Desmond hatte von Stacey einen neuen Auftrag erhalten, und ich starrte auf meinen Computer und sah sein Gesicht. Dachte an seine Lippen, die noch mehr Hitze verströmt hatten als der Rest seines Körpers – und an seine Reaktion nach dem Kuss. Hatte er Abstand halten wollen, weil wir uns auf der Arbeit befanden? Vielleicht wurde es Zeit, dass wir zusammen ausgingen.
    Erst später fiel mir auf, dass er »wir« gesagt hatte.
     
    Der Prokurist nahm meinen Bericht mit starrer Miene auf, nur die vier Finger seiner linken Hand trommelten einen unregelmäßigen Rhythmus auf seinen Schreibtisch. Seine Mutter war nicht anwesend und weder er noch ich verloren ein Wort über den kleinen Zwischenfall von zuvor.
    Krampfhaft zwang ich meine Gedanken zurück in das Hier und Jetzt. Gerade rechtzeitig, denn die Kohleaugen weit unter dem dunklen Haaransatz fixierten mich.
    »Damit ist die Frage Herms wohl geklärt«, knarrte der Prokurist. »Sie werden mir berichten, wenn Frau Herms in ihre Wohnung zurückkehrt.«
    Ich nickte.
    Er griff nach einer Mappe, schlug sie auf und begann zu lesen.
    Ich wartete.
    Er blätterte um.
    Ich pflückte ein paar Flusen von meiner Hose.
    Er beugte sich ein wenig näher über seine Notizen.
    Ich knabberte an der Unterlippe und dachte an Desmond.
    Er blickte auf und ich ließ meine Lippe in Ruhe. Ich hatte ein wenig zu fest darauf herumgebissen, und das Pochen lenkte von der Röte in meinen Wangen ab.
    »Ihre Arbeit bisher gestaltet sich akzeptabel«, sagte der Prokurist. »Ich habe mich mit Herrn Apergis beraten und wir haben entschieden, Sie zu behalten, Frau di Lorenzo. Ich hoffe, dass Ihre Leistungen nicht absinken.«
    Das musste für seine Begriffe beinahe herzlich sein. Ich befolgte Desmonds Rat und fragte nicht, wer Herr Aspergis war. Wenn der Prokurist sich dazu herabließ, mit einer anderen Person zu beraten, dann konnte es nur der Geschäftsführer von ABM sein. Den ich natürlich kennen musste. Natürlich!
    Ohne einen weiteren Kommentar schob der Prokurist einen großen Umschlag in meine Richtung. Da er sich nicht mal ansatzweise bemühte, sich zu strecken, musste ich aufstehen, um danach zu greifen. Unter Argusaugen zog ich meinen Vertrag hervor. Er sah normal aus. Ich wurde als Managerin für den Mitarbeiterverbleib deklariert. Da ich mich unwohl auf dem Präsentierteller fühlte, überflog ich lediglich die wichtigsten Dinge: Gehalt – in Ordnung, wenn auch nicht positiv überraschend, bezahlter Urlaub – erschreckend niedrig, die Kündigungsfrist – extrem kurz, zumindest aufseiten des Arbeitgebers. Alles Weitere würde ich in Ruhe prüfen.
    Ich sah den Prokuristen an und nickte zustimmend, eine dieser typisch-geschäftlichen Gesten, die so weit verbreitet wie nichtssagend waren. Offenbar gefiel sie ihm, denn er nickte ebenfalls. Mir fiel ein, dass eine Erwiderung angebracht wäre. »Vielen Dank.«
    Im Grunde war das Wesentliche gesagt und ich hätte aufstehen und gehen können. Nur hatte ich dabei beinahe ein schlechtes Gewissen, vielleicht fühlte ich mich auch zu sehr überwacht. Es war eine Sache, so zu tun, als würden einen die wildesten Kreaturen nicht abschrecken, aber eine andere, Geschäftigkeit zu heucheln. Der Prokurist wusste immerhin ganz genau, wofür ich hier war. Es blieb mir nichts anderes übrig, als ihn in Kenntnis zu setzen, dass ich mir sehr genaue Gedanken über meine Tätigkeit machte. Wenn ich Glück hatte, bekam er das in den richtigen Hals und empfand meine Arbeitswut als angenehm.
    Also gab ich mir einen Ruck. »Eine Frage hätte ich da noch.«
    »Ja?«, schnappte er.
    »Natürlich werde ich Frau Herms’ Wohnung in den nächsten

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