Nicht menschlich Inc.
Tagen überprüfen«, leitete ich meine Aussage mit einem Zugeständnis meiner Arbeitswilligkeit ein. »Allerdings möchte ich meine Arbeitskraft möglichst effizient einsetzen.«
Er unterbrach mich nicht. Ich war so gut.
»Daher würde ich gern wissen, welche weiteren Aufgaben mir zugeteilt werden, wenn keine Krankheitsüberprüfung ansteht.«
Ich fand, dass ich das sehr verständlich formuliert hatte.
Er aber sah mich an, als ob ich eine längst ausgestorbene Sprache benutzt hatte.
»Wir sind ein großes Unternehmen. Es ist immer jemand krank«, antwortete er mit so viel Herablassung und Würde, dass ich nicht mehr versuchte, ein Gegenargument zu finden. Im Endeffekt sollte es mir egal sein, denn ich hatte nicht die Absicht, mich um mehr Arbeit zu prügeln. Wenn es wenig zu tun gab, musste ich mir eben ein Buch mitnehmen, damit ich nicht vor Trostlosigkeit einschlief. Die Vorstellung, sich dauerhaft auf der Arbeit zu langweilen und beim Lesen stets mit einem Auge auf die Tür zu schielen, ob jemand aus der Prokuristenfamilie oder Stacey hereinschaute, war nicht sehr reizvoll.
»Sicher«, fand ich meinen zustimmenden Tonfall wieder, griff nach dem Umschlag und stand auf.
Wie erwartet hatte er mich entweder wieder vergessen oder kompensierte seine mangelnde Körpergröße, indem er sich in das lächerliche Getue flüchtete, mich schon wieder zu ignorieren.
Ich fragte mich, wie weit diese Nichtbeachtung ging. Hörte er noch, was ich sagte, oder hatte er mich bereits komplett ausgeblendet? War ein »Auf Wiedersehen« angebracht? Letztlich verließ ich den Raum still und leise.
Ich hätte Westburg niemals verlassen sollen. Ich war nicht wild darauf, meine kleine Welt durch zu viele neue Einflüsse so sehr zu verändern, dass ich mich erst wieder an sie gewöhnen musste. Nun war meine Probezeit vorbei und ich fest bei ABM in LaBrock angestellt.
Und niemand durfte wissen, wer ich wirklich war oder woher ich kam.
13
Rosenduft
A uch an diesem Tag brachte Stacey mich durch das Portal zurück nach Hause. Ich fragte mich, wie sie das alles schaffte. Immerhin hatte sie nicht nur ihre Arbeit an der Rezeption – obwohl ich in meinen zwei Tagen bei ABM noch keinen einzigen Kunden hatte hereinkommen sehen –, sondern vertrat auch Kirsten im Callcenter. Dennoch hatte sie am Ende meiner Schicht ganz selbstverständlich vor meinem Schreibtisch gestanden, den Springer auf der Hand, und mir mitgeteilt, dass sie mich begleiten würde.
Zunächst war ich unschlüssig gewesen. Nach dem Gespräch mit dem Prokuristen war immer wieder Desmond durch meine Gedanken gewandert. Wenn draußen auf dem Flur jemand entlanggegangen war, hatte ich stets gehofft, dass er jeden Moment hereinkommen würde, um mich abermals zu küssen. Ich besaß nicht Kims Selbstvertrauen, um einen Mann um ein Date zu bitten und ein »Nein« zu riskieren, aber ich würde meinen ganzen Mut zusammennehmen und ihn fragen, ob er morgen Abend mit mir Essen gehen wollte. Doch Desmond kam nicht, und als ich Stacey über die Flure von ABM folgte, lauschte ich auf seine Stimme und war enttäuscht, sie nicht zu hören.
Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, ihn erst am nächsten Tag wiederzusehen, war ich froh darüber, LaBrock endlich entfliehen zu können. Die Angst davor, mich zu verplappern und die Behörde auf mich aufmerksam zu machen, erschöpfte mich. Ich brauchte Abstand und auch Zeit, um wieder in meine Welt zurückzufinden. Momentan wurde mein Leben so sehr von neuen Einflüssen dominiert, dass ich befürchtete, mich selbst in meinen vier Wänden fremd zu fühlen. Eine fragende Seele in einer Hülle, die einmal vertraut gewesen war.
Zurück in Camlen konnte ich es kaum erwarten, bis Stacey und der Springer wieder im Dimensionstor verschwanden und es sich schloss. Als ich in den Bus nach Westburg stieg, war ich in Gedanken in LaBrock. Zwar zeigte ich dem Fahrer mein Monatsticket, blieb aber dümmlich lächelnd stehen, als er mich weiterwinkte und sich dann wieder auf sein Armaturenbrett konzentrierte. Als der Bus anfuhr, musste ich einen Ausfallschritt machen, um mein Gleichgewicht wiederzufinden.
Der Fahrer warf mir einen ungehaltenen Blick zu. »Setzen Sie sich bitte hin.«
Ich ließ mich auf den nächsten freien Platz fallen. Da war ich endlich wieder zu Hause, nur um weitere Anweisungen entgegenzunehmen. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nachdenklich starrte ich auf die vorbeiziehende Landschaft. Im Gegensatz zu gestern nach
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