Nicht menschlich Inc.
Unglücksrabe. Was auch immer ich von mir gab, würde Kirsten in Schwierigkeiten bringen oder gar in Ungnade fallen lassen. Sie erschien mir alles andere als sympathisch, und doch bekam ich den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass ihr vielleicht etwas zugestoßen war. Wie hoch war die Kriminalitätsrate in LaBrock? Waren Überfälle auf offener Straße oder gar Organhandel normal, legal oder erwünscht?
Auf der anderen Seite, wenn ich dem Prokuristen keine Zwischenmeldung gab, dann war das nicht gut für mich. Und wenn ich mir Kirstens verkniffenen Gesichtsausdruck ins Gedächtnis rief, war es nicht schwer zu glauben, dass sie mich ohne mit der Wimper zu zucken in die Pfanne gehauen hätte.
Entschlossen klopfte ich an und drückte die Tür auf.
Zunächst waberte mir ein herbes Parfüm entgegen. Moschus und Sandelholz, da war ich mir sicher, immerhin benutzte mein Vater eine ähnliche Note. Das grüne Gesicht des Prokuristen glotzte mich an. Ihm gegenüber saß seine Mutter. Sie blickte nur beiläufig auf. »Jetzt nicht!«
Er schwieg.
Ich murmelte eine Entschuldigung für die Störung, zog mich zurück und schloss die Tür so leise ich konnte. Dann hastete ich in mein Büro, stellte fest, dass es leer war, zog die Tür hinter mir fest zu und atmete laut aus. Nicht zum ersten Mal fühlte ich mich, als müsste ich mich bei allem, was ich sagte, durch eine Wand aus Watte kämpfen. Nie wusste ich, was dahinter lag und ob ich einen Schritt in die richtige Richtung setzte oder in den Abgrund stürzen würde. Nach und nach zerrte es an meinen Nerven. Also, was nun?
Ich starrte auf die Wanduhr. Noch konnte ich nicht nach Hause. Dezentes Magengrummeln begleitete meine Schritte zum Schreibtisch. Ich setzte mich, griff nach dem Telefon und tippte aus lauter Neugierde die Telefonnummer meiner Eltern mit Vorwahl ein. Mit angehaltenem Atem lauschte ich.
»Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben. Wenn Sie diese Rufnummer für sich beanspruchen möchten, melden Sie sich über unsere Serviceline unter …«
Ich legte auf und seufzte, hier hörte mich ja niemand. Aber mit dem leeren Raum kam das Selbstmitleid. Ich hatte Hunger, langweilte mich und wollte nach Hause. In diesem Moment hasste ich meinen neuen Job, die Unsicherheit und die Einzelheiten , die ich bis vor Kurzem nur durch Fantasyfilme gekannt hatte. Nun, zumindest gegen den knurrenden Magen und die Unsicherheit konnte ich vielleicht etwas unternehmen.
Ich sprang auf und machte mich auf den Weg in das Papierlager.
Personen, die von der anderen Seite des Portals stammen, müssen den Erwerb über ihre Kenntnisse unseres Bereichs nachweisen und dies durch mindestens einen Leumund belegen können.
Dort stand es schwarz auf weiß. Worte, die mir bis vor Kurzem nichts gesagt hätten, aber mittlerweile leider Sinn ergaben. Perplex starrte ich auf den Ausdruck, den Desmond von irgendwoher besorgt hatte. Woher, wollte ich gar nicht wissen. Hausmeister waren beinahe Spione, sie kannten sich wahrscheinlich besser in der Firma aus als irgendein Chef und nutzten bevorzugt geheime Wege.
»Mich hat niemand nach einem Beweis gefragt und auch nicht nach einem Leumund«, murmelte ich verwirrt und biss von dem Käsebrötchen ab, das Desmond ebenfalls besorgt hatte.
Er nickte und wirkte dabei nicht unbedingt glücklich. »Die Stelle musste dringend besetzt werden. Normalerweise springt Stacey ein, wenn es einen Engpass gibt, aber sie kümmert sich ja bereits um die Betreuung der Telefonisten.«
»Kontrolle trifft es wohl eher.«
»Manche machen da nicht viel Unterschied.«
Ich schob das Blatt von mir. »Also gut. Ich begreife schon nicht, wie meine Mail in eurem Posteingang landen konnte. Nicht einmal das Telefonnetz ist dasselbe, da wird das Internet doch auch ein anderes sein?«
»Ist es. Man benötigt spezielle Passwörter, um die Verbindung zwischen den beiden Welten herzustellen. Ich habe keine Idee, wie du es ohne geschafft hast, dich bei uns zu melden.«
»Ich auch nicht«, murmelte ich düster. »Ich habe einfach nur die Mail beantwortet. Und was heißt das nun? Soll ich zugeben, dass ich durch einen dummen Zufall hier gelandet bin? Ehe diese Behörde mir auf die Schliche kommt?«
Warum war meine Mail hier gelandet und nicht auf dem Schreibtisch von Johnny Depp, der gerade eine Assistentin suchte?
Desmond riss das Papier vom Tisch und knüllte es mit einer so heftigen Bewegung zusammen, dass ich erschrak. Gebannt starrte ich auf das Spiel seiner Armmuskeln,
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