Nicht ohne Beruf (German Edition)
eine Vorliebe für bunte Wollgarne und kaufte oft kleine Döckchen Zephirwolle und häkelte für meinen Puppenwagen eine schöne bunte Decke.
So betreute ich Fritzchen, drei Jahre alt, für ein bis zwei Stunden. Viel Geld gab es ja nicht. Aber eine kleine, schön verschnörkelte Stickschere, die ich auf dem Schulweg in einem Geschäft sah, konnte ich auch davon erstehen.
Doch bei Fritzchens Betreuung blieb es nicht. Sein Vater betrieb eine Süßware nhandlung. Er beschäftigte zwei 14- bis 15-jährige Burschen, die die Süßigkeiten auf einem großen zweirädrigen Tafelwagen in die entsprechenden Tante-Emma-Läden fuhren. Mitunter ging es ganz schön steil bergauf. War der Wagen sehr schwer beladen, half ich ihnen beim Schieben. Ob ich dafür extra belohnt wurde, weiß ich nicht mehr. Immerhin litten ja meine Schuhsohlen dabei. Hinterher kaufte ich mir für die schwere Transportarbeit für zehn Pfennig ein Mokkatörtchen in der gegenüber liegenden Konditorei.
Aber ich sparte auch eisern, bis ich mir ein Paar Sandalen für vier RM kaufen konnte.
Ich glaube, ein bisschen geizig oder kna userig war der Kü. schon auch. Es waren eben Notzeiten, so sparte er auch in seinem Büro. Papier war auch knapp. Ich beobachtete jedenfalls, wie die Sekretärin alle Briefumschläge der eingegangenen Post fein säuberlich wendete, um sie nochmals verwenden zu können. Doch arm waren Fritzchens Eltern bestimmt nicht. Armut war etwas Anderes. Sie konnten sich frischen Aal leisten, der in einem Bottich in der Küche lag und noch zappelte.
Der Umzug hatte andererseits auch etwas Gutes. Mama hatte es näher zu ihrem behandelnden Arzt am Obermarkt. Aber was bekam sie schon für Medikamente! Ein bisschen Baldrian und Malzextrakt, das dann noch als Brotaufstrich gut ankam, statt Mama zu kräftigen. Ihr Herzklappenfehler konnte damit nicht geheilt werden.
Was gab es denn nach einem verlorenen Krieg überhaupt, sowohl für Gesunde als auch für Kranke! Es war tagtäglich spü rbar.
Mein Vater, ohne einen rechten Beruf, vier Jahre Marine-Kriegsdienst, nahm jede ihm gebotene A rbeit an, auch beim Bau.
Den Kriegsheimkehrern wurde eine B erufsausbildung angeboten, um ihnen eine Zukunft zu sichern, was mein Vater aber nur kurze Zeit nutzte. Die Ausbildung war im Kasernenbereich; er nahm mich manchmal mit. Ich sehe noch die verwaisten Eisenbetten in den Räumen. Doch die Schulbank zu drücken, das war nicht nach seinem Geschmack.
Er ließ sich statt dessen auszahlen, um, so war sein Plan, in Dresden ein kleines Z igarren-Geschäft zu eröffnen. Von einem Geschäft bekam seine Familie nie etwas zu sehen. Er verbrauchte für sich viel zu viel, er spielte. Die Summe schrumpfte, und die Inflation ließ den Rest dahin schmelzen.
Es war für meine arme Mutter wirklich nicht leicht, das zu verkraften.
Als Vater noch bei uns lebte, gab es oft heftige Auseinandersetzungen. Dorchen, meine ältere Schwester, die alles bewusster miterlebte, kränkelte viel. Um sich etwas aufzupäppeln, ging sie zu Mamas verheirateter Schwester Lydia nach Chemnitz, die, kinderlos, weniger Alltagssorgen hatte. Aber meine Schwester Dora kam bald wieder zurück: Heimweh! In Umkehrung des Sprichworts traf auf sie zu: Heimweh ist schlimmer als Durst!
Die große Arbeitslosigkeit, Geldentwertung! In der Schule mussten wir beim Rechnen fast jeden Tag eine Null mehr anhängen, bis wir bei Billionen angekommen waren, bis der große Knall kam.
Die Väter standen Schlange vor dem A rbeitsamt, um ein paar Mark in Empfang zu nehmen - oder ein paar Millionen. Für die eigene Familie fiel nicht viel ab, denn was stellten die Männer, wie mein Vater, an?
Die viele Freizeit! So saßen sie beim Ka rtenspiel, wobei auch viel Nasses die Kehle hinunter lief und dem Geldbeutel nicht gut tat, wie auch der Alkohol dem Körper. Der Familie tat dieses Vorenthalten nicht gut. Zuhause gab es immer wieder Streit.
Der Ärger war groß, was Mamas Gesun dheit arg strapazierte. Einmal sah sie gelb wie eine Zitrone aus. Gelbsucht! Schonen konnte sie sich nicht.
Meine Schwester Dora, die durch die Kriegsauswirkungen nicht gerade in guter Verfassung war, beendete nach acht Ja hren Schulpflicht die Schule. Da sie gut rechnen konnte, sollte sie einen kaufmännischen Beruf in einem Büro erlernen.
Aber vorher, um sich heraus zu futtern, ging sie , es sollte nur für kurz sein, zu Tante Lina nach Roda. eingeheiratet. Meine andere Schwester Gretel war auch für kurze Zeit dort auf dem
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