Nicht ohne Beruf (German Edition)
dass Mutti sich später jedes Mal ins Fäustchen lachte, wenn ihre Uta wesentlich erfolgreicher war als Elsas Kinder. Das tat ihr einfach gut, sehr gut!
Mit der Zeit hatten Erich und Elsa drei Kinder, doch die Ehe ging nicht gut. Die Scheidung erfolgte Mitte der 50er Jahre.
Zu meiner ‚Erziehung‘ und damit ich weg wäre von der Straße, schickte mich Vati zu einer Familie in unserer Wohngegend, wofür er denen auch Geld gab. Ich sollte dort stricken lernen. Es ergab sich dann, dass ich der Frau meine viel schönere Methode beibrachte, die Fersen von Socken zu stricken. Und ihrer ungelenkigen Tochter zeigte ich erst einmal den Purzelbaum und die Brücke und Handstand an die Wand!
Lange währte das nicht, denn bald hatte ich eine viel bessere Freizeitgestaltung: Ich ging in den Kinderfunk!
Eines Tages, es muss noch 1947 gewesen sein, verkündete meine Uta, sie hätte sich im Rundfunk zur Mikrofonprobe angemeldet. Ich konnte nur immer staunen, was sie so alles unternahm. Mitunter hatte ich das Gefühl, als Henne ein Entenküken ausgebrütet zu haben. Nicht zum letzten Mal!
In den Nachkriegsjahren mussten die M edien neu aufgebaut werden, so auch der Mitteldeutsche Rundfunk, Sender Leipzig. In meiner Schulklasse sprach es sich herum, dass Mitwirkende für Kinderfunk und die Junge-Funkgruppe gesucht würden.
Mit der Kinderfunkzeit begann der schön ste Teil meiner Kinderjahre. Nach einigen Wochen Sprecherziehung, so wie auch Schauspielschüler ihn erhalten, kamen schon die ersten kleinen Rollen für Kinderfunksendungen. Größer und besser bezahlt waren die für den Schulfunk. Da die zum Teil am Vormittag direkt gesendet wurden, heute sagt man ‚life‘, bekam ich ohne Probleme in der Schule frei.
Nach der Währungsreform Ende Juni 1948 wurde viel weniger gezahlt. Aber ich hatte immer mein selbst verdientes T aschengeld.
Nach einigen Monaten trat ich auch in den Chor unter der Leitung von Gerd Schlotter ein. Von irgendeiner Gesellschaft bekam der Kinderfunk eine Bassbalalaika geschenkt. Aus Jux übernahm ich dieses Monstrum, lernte die drei Saiten zu beherrschen, und schleppte fortan zum Gaudi der Gohliser Bevölkerung das in eine alte Militärdecke eingeschlagene Musikinstrument hin zum Funkhaus und zum Üben wieder nach Hause.
Ob ich mein Bett spazieren trüge, ob es eine überdimensionale Fliegenklatsche sei und andere Bemerkungen flogen zu mir.
Jedenfalls war ich zum Einen ‚weg von der Straße‘, da es fast jeden Nachmittag etwas im Funkhaus zu tun gab. Wir durften auch die Post der Hörerzuschriften beantworten.
Zum Anderen war ich fast jedes Woche nende auf Achse und entging somit dem Drasch mit der Dresche, Muttis handfesten Erziehungsversuchen.
Wir fuhren am Samstagnachmittag mit Bussen oder auf Lastwagen auf die Dörfer und hatten am Abend unseren ersten Auftritt auf der Bühne eines Dorfgasthofs. Das Publikum war ebenso begeistert wie wir dort oben auf den Brettern. Zum Übernachten wurden wir auf Bauernhöfe aufgeteilt, und auf der Heimfahrt am Sonntagabend teilten wir die erhaltenen Fresspakete unter uns auf. Jeder ließ jeden mal abbeißen.
In den Sommerferien auf Tournee schliefen wir auch in Turnhallen und anderen Ma ssenquartieren. Wenn es schon dunkel war, wurden Gruselgeschichten erzählt.
„Quietsche-quatsche, quietsche-quatsche. Uiiii!“
Kinderfunk und Junge Funkgruppe ve rschmolzen zum Pionierfunk, wir Sprecher unter der Leitung des Rundfunkregisseurs Hans Bussenius.
Bei Auftritten trugen wir das blaue Halstuch der JP.
Die Zeiten wurden immer schlechter, zu
kaufen gab es kaum etwas auf Bezugscheine.
Uta wuchs. Alle vier bis sechs Wochen
passten ihr die Kleider nicht mehr.
Anna kramte in ihrem Kleiderbestand und
Mama änderte es ab.
Erichs Frau hatte die Absicht, ein
Kinderkrankenhaus zu eröffnen. Die
Genehmigung dafür wurde dann doch
wieder zurückgezogen.
Aber Bettwäsche dafür war schon angeschafft worden. Diese Stoffe dienten nun zu allem Möglichen. Wir ließen ihn bedrucken, und meine Uta bekam ein Dirndl daraus. Das Foto hängt noch in meinem Schlafzimmer. Lang ist es her!
Manchmal zeigte sich Anna von der Schokoladenseite. Ganz zu Beginn meines Eindringens in die Familie gingen wir, Omi, ihre Schwester und ich, in die Stadt. Die beiden Frauen kauften für mich einen eleganten Wollmantel, rostfarben und für jene Zeit doch teuer – 75,- Mark!
Auch führten beide mich ins Theater oder in die Oper. Mit einer Pelzstola put
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