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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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bei jedem Holpern hielten wir uns aneinander fest. Wir trösteten einander, denn wir hatten alle drei Angst, weil wir nicht wussten, wo man uns hinbrachte, und weil wir die Menschen, die wir liebten, zurücklassen mussten. Wir kamen ins Gespräch. Luise hatte in einer Munitionsfabrik gearbeitet, in der auch ihre Mutter beschäftigt war. Einen Vater gab es in ihrem Leben nicht, er hatte sie beide so oft verprügelt, dass ihn ihre Mutter vor die Tür gesetzt hatte. Sie war verhaftet worden, weil sie russischen Zwangsarbeitern Essen gegeben – oder, wie die Polizei behauptete, mit ihnen geschlafen – hatte.
    »Schön wär’s«, sagte Luise, hauchte ihre Hände an und steckte sie sich vorn in die Jacke, um sie zu wärmen. »Dazu hatte ich nie Gelegenheit, und einer von ihnen sah wirklich gut aus.«
    Erna hob die gezupften Augenbrauen, als sie hörte, dass die Gestapo mich der Prostitution bezichtigt hatte, denn sie selbst war wirklich in diesem Metier gewesen. Und hatte sich so nebenher auf dem Schwarzmarkt etwas dazuverdient.
    »Ausgerechnet du!«, sagte sie. »Das sieht doch ein Blinder, dass du keine Ahnung hast.«
    Luise meinte: »Na, sie wollten natürlich erreichen, dass du sagst: ›Nein, Prostituierte bin ich nicht. Ich habe diesen Juden geküsst und Tod euch Nazis! Und jetzt richtet mich bitte hin!‹ Schade, dass sich Leutnant Frey so schnell davongemacht hat. Hast du ihn geliebt?«
    »Ja«, sagte ich.
    Erna zog ihre eiskalte Hand aus der Jacke und drückte meine. »Scheißleben, hm? Was diese Frau betrifft, die euch denunziert hat – solche alten Schachteln gibt es überall, selbst hässlich wie die Hölle, können sie hübsche Mädchen einfach nicht ab.«
    Wir kamen zu einem Tor. ARBEIT MACHT FREI stand darüber geschrieben. Man brachte uns zu einem langgestreckten, hässlichen Gebäude, wo man uns anbrüllte, wir sollten uns ausziehen. Eine brutale Frau schor mir die Haare. Ich stand da, fasernackt, und Haarsträhnen fielen vor meinen Augen auf meine bloßen Füße. Als sie mit mir fertig war, tastete ich mit der Hand nach meinem Kopf. Es war schrecklich, ich war beinah kahl. Dann schubsten sie uns unter eine eiskalte Dusche und zogen uns wieder heraus. Nass und entblößt musste ich mich hinstellen, während mich ein SS-Arzt musterte und überall befingerte – auch in meinen Körperöffnungen.
    »Keine Jungfrau mehr«, befand er kalt. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie schrecklich ich mich bei dieser Behandlung fühlte.
    »Das hat denen Spaß gemacht«, sagte Erna hinterher. »Alles Arschlöcher, Jenny. Lass dich von ihnen nicht zum Weinen bringen.«
    Wir befanden uns im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. Zehn Tage später brachte man uns ins Mädchenkonzentrationslager Uckermark. Sie nahmen uns die Kleider, und anstatt unserer Namen verpassten sie uns Nummern. Man verbot uns auch, miteinander zu sprechen – Erna, Luise und ich fanden aber doch Wege, miteinander zu kommunizieren. Allerdings war Vorsicht geboten, denn einige Mädchen waren Spitzel. Ich wusste nicht, was ihnen das brachte, mehr Fleisch als wir anderen hatten sie jedenfalls auch nicht auf den Rippen.
    Wir sollten Selbstdisziplin und harte Arbeit kennen lernen. Selbstdisziplin bedeutete allmorgendliche gymnastische Übungen, die wir barfuß absolvieren mussten, obwohl es bitterkalt war. Wenn wir uns in den Augen der Grendel und der Kerner nicht schnell genug bewegten, schlugen sie uns mit ihren Gummiknüppeln. Bei der eiskalten Dusche abends vor dem Zubettgehen konnte ich sehen, dass wir alle mit blauen Flecken übersät waren.
    Die harte Arbeit bestand darin, dass wir Uniformen für Soldaten nähen mussten. An den vor Kälte steifen Finger bildeten sich Schrunden, die zu bluten begannen. Wenn man sich dann mit der Nadel stach, wurde es noch schlimmer. Es gab zwar einen Ofen, aber daneben stand die Wärterin. Der Ofen hielt sie warm und verhinderte gerade so, dass wir zu Eisklötzen gefroren.
    Dann kam eines Abends – es war Schlafenszeit – die Grendel zu mir. Ich dachte, sie wolle mich mitnehmen und für irgendetwas bestrafen, das ich falsch gemacht hatte. Als meine Zähne zu klappern begannen, lachte sie mich aus. Es machte ihr Spaß, anderen Angst einzuflößen.
    »Wir haben ein paar Marionetten bekommen, damit wir bei Laune bleiben«, erklärte sie. »Früher im Bund Deutscher Mädel habe ich Puppentheater gespielt, ich kann also mit ihnen umgehen, aber ich brauche noch jemanden

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