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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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eine Seitenstraße ein. Immer noch außer Fassung stellte ich mir vor, wie Raffi irgendwo von einem anderen Polizisten verhaftet wurde, vielleicht war es auch schon vor einer halben Stunde geschehen, vielleicht direkt vor unserem Haus.
    Als die Glocke sieben schlug, ließ ich mich gegen eine Hauswand sinken und weinte. Muffi kam zu mir und beschnupperte mich. »Es ist aussichtslos, Muffi«, sagte ich zu ihr. »Wir werden ihn nie finden.«
    Aber da reckte sie plötzlich die Nase in die Luft, nahm Witterung auf, schlug kurz an und flitzte davon. Sie führte mich in Richtung Zoo. Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich Raffis Spur folgte, vielleicht lief sie ja nur jemandem hinterher, der auf dem Schwarzmarkt ein Stück Rindfleisch besorgt hatte, aber ich ließ sie trotzdem gewähren. Einmal wollte sie mich über die Straße zerren, doch wir mussten warten, weil eine Trambahn vorbeifuhr. Als wir schließlich auf der anderen Straßenseite waren, schnüffelte sie unschlüssig herum – sie hatte die Spur verloren. Dann stutzte sie, lief wieder in Richtung Café Kranzler und abermals zum Zoo.
    Die große Kirchturmglocke schlug viertel. Wie lange konnten wir noch hier draußen herumstreifen? Ich hörte einen Mann sagen: »Wenn es einen Angriff gibt, kommt er um halb acht. Das ist ihre Zeit. Immer pünktlich, die Engländer.«
    Muffi schlabberte Wasser aus einer Pfütze, schüttelte sich erneut und suchte meine Nähe. Ich tätschelte ihren nassen Kopf. Sie setzte sich aufs Trottoir und blickte zu mir auf. Sie hatte aufgegeben und sie war hungrig.
    »Wir gehen besser nach Hause«, sagte ich. »Was meinst du?«
    Wir waren bis zur Gedächtniskirche gekommen, als die Sirenen zu heulen anfingen.
    O Gott, dachte ich. Auch das noch. Doch Muffi blieb stehen, sie hatte etwas erschnuppert. Dann zog sie mich zwischen die Menschen, die auf die U-Bahn-Station zuströmten.
    Es war nicht weit hinunter zu dem beleuchteten Bahnsteig, und dort entdeckte ich ein gutes Stück entfernt Raffi, zwischen uns dichtes Menschengewühl. Er hatte sich hingesetzt, die Beine an die Brust gezogen. Seine Miene war angespannt, aber dennoch irgendwie lebhaft, er wirkte fast froh. Ich dachte: So ist das also. Er ist froh, dass er weg ist von uns.

Kapitel Siebzehn
    D irekt neben mir stand eine Säule. Ich setzte mich vor ihr auf den Boden, um während des Angriffs eine Rückenstütze zu haben. Muffi sprang mir sofort auf den Schoß. Andere Leute, die offenbar mit öffentlichen Schutzräumen Erfahrung hatten, zogen Kissen aus ihren Taschen. Ein paar Glückliche hatten einen Sitzplatz in dem Zug ergattert, der auf dem Gleis stand.
    Von meinem Platz aus konnte ich Raffi über die Köpfe und Körper der Menschen hinweg immer noch sehen. Auch Muffi witterte ihn, sie zerrte winselnd an der Leine. Das musste er gehört haben, denn er ließ seine Augen in unsere Richtung schweifen und entdeckte uns. Er starrte mich an, dann wandte er den Blick ab. Muffi winselte lauter.
    »Nein, Muffi!«, sagte ich.
    Ich hatte mir ausgemalt, wie ich mich entschuldigen würde, wenn wir uns fänden, und wie wir uns wieder versöhnen würden. Doch jetzt konnte ich nur daran denken, dass er mich seit seinem Einzug bei uns immer nur weggestoßen hatte, und mir wurde klar, dass es überhaupt keinen Sinn hatte. Schon seit Monaten war alles schiefgelaufen, und jetzt dachte ich, dass alles meine Schuld war, weil ich vor der SS bei Tante Edith hätte sein müssen. Ich war den Tränen nahe.
    Neben mir saß ein dünner älterer Mann auf einem ausgebleichten Brokatkissen, dem das Haar in allen Richtungen vom Kopf abstand. Auf dem Schoß hielt er eine Aktentasche. Er heiße Hildebrand, stellte er sich vor. Ich nannte ihm meinen Namen.
    »Was ist das für ein Hund?«, erkundigte er sich.
    »Ein gemischtrassiger Puli«, antwortete ich automatisch.
    Der Boden war ziemlich hart zum Sitzen. Ich warf noch einmal einen kurzen Blick zu Raffi. Dieses Mal bemerkte er es nicht, weil er sich gerade mit einem Mann neben ihm unterhielt. In meinem Kopf hörte ich ihn sagen: »Ich ersticke.«
    »Vielleicht ist es nur falscher Alarm«, meinte Herr Hildebrand, nahm seine Brille ab und putzte die Gläser mit seinem Taschentuch. »Ich hoffe es jedenfalls, meine Frau hat nämlich bestimmt schon das Abendessen im Ofen.«
    Doch dann wummerte es. »Scheibenkleister!«, sagte Hildebrand. »Doch ein Angriff. Das sind die Flugabwehrgeschütze vom Flakturm am Zoo.«
    Von so nah hatte ich sie noch nie gehört. Einen

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