Nicht ohne meinen Mops
Moment aus der Korsage zu hüpfen scheinen.
»Hallöle«, flötet das Wesen zwischen den rosa geschminkten Lippen hervor und streicht sich eine Strähne des platinblonden Haares aus der Stirn.
»Hallo«, sagt Chris.
»Hallo«, sagt Rolf.
»Wuff«, sagt Earl.
»Hi«, sage ich.
Chris spult seinen Spruch von wegen neue Mieter und gute Nachbarschaft ab. Rolf reicht der Dame galant die Schokolade, nachdem diese seufzend am Blumenstrauß geschnuppert hat.
»Ich bin die Jasmin«, zirpt Fräulein Tschirwitz. »Ich würd euch ja auf einen Prosecco rein bitten, aber ich hab ein Date.« Entschuldigend blickt sie von Rolf zu Chris. Mich streifen die dunkel umrahmten Augen nur sehr, sehr kurz. Dafür gerät Jasmin in Entzücken, als sie Earl entdeckt, dem ein Sabberfaden aus dem Maul hängt.
»Wie süüüüß!«
»Das ist Earl«, sagt Rolf. »Sir Earl of Cockwood.«
Jasmin kichert und bückt sich. Ihre enormen Brüste lehnen sich gefährlich weit über die Korsagenbrüstung. Earl watschelt nach vorne und schnuppert verzückt an ihrer Hand. Ich an seiner Stelle würde an den Plastiknägeln knabbern. Aber Earl spitzt die Schnute, soweit ihm das mit der Mopsnase möglich ist. Es sieht aus, als ob er Jasmin einen Handkuss aufdrückt.
»Niiiieeeedlich«, flötet sie. »Im Salon haben wir auch einen Hund, einen … wie heißen die doch gleich aus der Werbung? Die Weißen?«
Rolf zuckt mit den Schultern.
»Chihuahua?«, versucht es Chris.
»Ach, ich weiß auch nicht, aber der fängt immer an zu jaulen, wenn wir föhnen.« Klar. Friseurin. Was sonst.
»Ja dann …«, sage ich und zupfe Earl am Halsband. »Schönen Abend noch.« Earl murrt, als ich ihn hochwuchte und die Treppe runterstapfe. Rolf und Chris folgen in einigem Abstand, nachdem sie wohl für den nächsten oder übernächsten Abend die Proseccogeschichte klargemacht haben.
»Sagt mal, habt ihr die Hupen gesehen? Die sind doch aus Plastik«, keife ich und setze Earl auf den Boden im Erdgeschoss.
»Wie?« Chris zupft ein Blatt aus dem Strauß.
»Echt? Hat die große Brüste?« Rolf zuckt mit den Schultern. »Hab ich gar nicht drauf geachtet.«
Ja, klar, Jungs. Männer achten nur auf den Charakter. Von dem hat Jasmin jedenfalls eine Menge. Ich verdrehe die Augen und drücke die Klingel mit der Aufschrift ›Otto‹. Statt eines schrillen Bimmelns ertönt der astreine Klang von Westminster Abbey.
»Ui«, sagt Chris. Ich klingle noch einmal, weil’s so schön war. Beim zweitletzten Schlag öffnet jemand.
»Ach, die neue Wohngemeinschaft«, sagt das Männlein, das jetzt im Halbschatten erscheint. Herr Otto ist ungefähr so groß wie ein Achtklässler, dafür aber so breit wie drei davon. Sein mächtiger Bauch steckt in einem karierten Hemd, über dem sich Hosenträger spannen.
»Hilde, komm mal eben«, ruft Herr Otto.
»Guten Tag, ich bin Tanja«, stelle ich mich vor und strecke Herrn Otto die Hand hin. Der schüttelt sie begeistert, ebenso wie die von Chris und Rolf. Earl bellt leise.
»Ja, was bist du denn für ein Süßer?« Herr Otto geht in die Knie. Die Gelenke knacken bedenklich und die Hose spannt sich über seinen immensen Hintern. Earl lässt sein Ringelschwänzchen wackeln und schnuppert an Herrn Ottos Hand.
»Unseren Pauli mussten wir letzten Sommer einschläfern lassen, Dackellähmung«, sagt Herr Otto und stemmt sich wieder in die Senkrechte.
»Ach, Karl, das interessiert die jungen Leute doch nicht.« Hinter Karl erscheint eine Frau, etwas kleiner als er, dafür noch einen Tick breiter.
»Grüß Gott«, ruft Frau Otto. »Und herzlich willkommen in unserem Haus.« Ihr ›Charakter‹ ist noch größer als der von Jasmin und steckt in einem Spitz-BH, den ich nur aus 50er-Jahre-Filmen kenne. Hilde Otto streckt mir einen Gugelhupf entgegen.
»Ist ein Marmorkuchen«, sagt sie und lächelt begeistert. »Die jungen Leute haben doch immer Hunger.«
Verdattert nehme ich den Kuchen entgegen. Er ist noch warm und duftet verführerisch. Mein Magen beginnt zu knurren. »Wir hoffen, dass wir eine schöne Zeit zusammen haben«, schaltet sich nun Rolf ein und übergibt Karl die vorletzte Schokolade. Der freut sich. Aber nicht so sehr wie seine Gattin, der Chris mit einer Verbeugung das Sträußchen reicht.
»Ach, wie lieb, so nett hat sich noch keiner hier vorgestellt.« Frau Otto schnuppert an den Blumen. »So was gibt’s in Stuttgart auch nur in der Markthalle, gell?«
Chris und Rolf strahlen um die Wette. Bingo. Volltreffer. Frau Otto, die laut
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