Nicht ohne meinen Mops
Vermieter so etwas wie die inoffizielle Hausmeisterin ist, schmilzt vor unseren Augen dahin.
»Kommen Sie doch nächste Woche mal vorbei, dann erkläre ich Ihnen alles mit der Kehrwoche und so«, schlägt Herr Otto vor.
»Oh, sehr gerne«, hauche ich und lächle hinter dem mächtigen Kuchen vor. Auch Bingo – tja, Jungs, das kann ich auch!
Hilde verabreicht Earl noch einen Zipfel Schwarzwurst. Der Mops entbrennt sofort in heißer Liebe zu ihr, doch Rolf bremst ihn bei dem Versuch, die Otto’sche Wohnung zu stürmen. Dann ziehen wir weiter, zur Erdgeschosswohnung gegenüber. Dort lebt laut Klingelschild Bernd Kube. Und er scheint zu Hause zu sein, denn durch die geschlossene Tür hören wir einen Fußballreporter, dessen Stimme sich überschlägt. Erst nach dreimaligem Klingeln, als der Reporter Luft holt, scheint Bernd Kube die Klingel zu hören. Ein ungehaltenes »Was denn?« wird gebrüllt. Dann öffnet unser Nachbar unwirsch.
»Ja?«, blafft ein blasser Kerl, den ich auf etwa 1,90 und 70 Kilo schätze. Ein wandelndes Skelett mit eingefallenen Wangen, flusigen braunen Haaren und einer Gesichtsfarbe, die sich kaum von der weißen Raufaser unterscheidet.
»Äh, wir … hallo … sind die Neuen von ganz oben«, stottere ich und halte Hildes Kuchen wie ein Schild vor mich.
»Hi«, knarzt Bernd und lässt seinen Blick von mir zu den Jungs und zu Earl schweifen. Seine grauen Augen bleiben schließlich am Kuchen hängen.
»Cool«, sagt er und schnappt sich den Kuchen. »Ist ja nett!«
Chris klappt den Mund auf. Und wieder zu. Rolf streckt Bernd die Schokolade entgegen.
»Na, das nenn ich Service«, sagt Bernd. »Kommt doch rein.«
Verdattert folgen wir ihm in den dunklen, schmucklosen Flur. Rolf sieht mich mit vielsagendem Blick an. Chris wedelt sinnlos mit dem Blumenstrauß. Nur Earl scheint zufrieden zu sein. Auf seinen kurzen Mopsbeinchen wackelt er hinter Bernd her ins Wohnzimmer.
»Wow«, sagt Chris, als er die beiden Flatscreens sieht, die untereinander an der Wand hängen. Auf dem oberen läuft ein Fußballspiel, auf dem unteren eine Folge Simpsons.
»VfB Stuttgart?«, fragt Rolf und lässt sich auf die Ledercouch fallen. Bernd stellt den Kuchen zwischen drei Dutzend CDs, Zeitschriften und leeren Colaflaschen auf den Glastisch.
»Jepp«, sagt er. »Letztes Jahr im Sommer gegen Bayern.«
»Cool.« Chris starrt auf den Bildschirm.
»Du guckst ein altes Spiel?«, frage ich und setze mich neben Rolf.
»Nee, ich brauch bloß die Töne«, sagt Bernd. »Die leg ich unter die Simpsons. Ist mein Hobby.« Seine aschfahlen Wangen werden ganz, ganz leicht rosa. Dann verschwindet er in der Küche und kommt kurz darauf mit vier Papptellern und einem Messer wieder.
»Hey, danke für den Kuchen, hab heute noch nichts gegessen«, sagt er und beginnt damit, Hildes Marmorkunstwerk zu zerlegen. Kurz darauf hocken wir alle mit einem Pappteller auf den Knien um den Tisch. Earl sitzt neben Rolf und wartet darauf, dass er Krümel – oder größere Stückchen – auflecken darf, die auf den Laminatboden fallen.
Auf dem oberen Flatscreen flimmert jetzt ›Shaun, das Schaf‹ – und dazu der Ton von einem Boxkampf: Klitschko gegen einen armen, schmächtigen Asiaten. Chris kichert und Rolf verschluckt sich am Kuchen. Bernd reicht ihm eine noch nicht geöffnete Literflasche Cola. Zwischen Husten und Hicksen versucht Rolf, mit der Brause den Kuchenkrümel in seiner Kehle wegzuspülen. Ich klopfe ihm auf den Rücken (und was für ein Rücken das ist!). Schließlich fliegt der Krümel, getragen von einem mächtigen Rülpser, auf den Tisch.
»Pardon«, keucht Rolf und sammelt den Krümel wieder ein. Earl freut sich über das aufgeweichte Teil.
»Cool«, sagt Chris und ich frage mich, auf welcher Etage er den Großteil seiner Intelligenz vergessen hat. Bei Jasmin und ihren Titten?
»Cool«, echot Bernd. »Rolf gewinnt garantiert bei der Rülps-WM.« Die Jungs grölen. Sogar Earl wedelt mit dem Ringelschwanz.
»Sorry, Tanja«, gackert Bernd, als er wieder bei Atem ist. »Ist eigentlich ein ehrenwertes Haus hier.«
»Schon klar«, sage ich.
»Ja, okay, die Jasmin ist ein bisschen …«, beginnt er.
»… zu gut ausgestattet?«, ergänze ich.
»Die hat schon geile Hupen«, schwärmt Bernd. Aus den Augenwinkeln schiele ich zu meinen Jungs. Doch deren Augen und Ohren kleben längst wieder an Bernds Interpretation des Schaf-Comics. »Aber die nutzt das auch aus.« Ein wenig traurig sieht er aus, als er das sagt. Bernd zuckt
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