Nicht ohne meinen Mops
zu wecken, wenn er sich von der Nachtschicht erholt. Und wenn ich abends nach Hause komme, ist es in seiner Wohnung still und dunkel – denn mein Ritter und Earls Retter fährt, wie er erzählte, dank ungerechter Einteilung viel mehr nachts, als ihm lieb ist. Earl geht es blendend und so habe ich keinen Vorwand, bei Arne zu läuten. Rolf war mit dem Mops bei seinem Haus-Tierarzt und der hat tatsächlich eine leichte Vergrößerung des Herzens festgestellt. Zur Epilepsietablette kommen nun noch Herzmittel. Diese aber erst nach einer dreitägigen medikamentösen Entwässerungskur, während der Earl undicht war wie ein alter Wasserhahn. Ich hätte niemals gedacht, dass so viel Pipi in so einen kleinen Hund reinpasst. Und ich hätte niemals gedacht, dass Rolf und Chris mit solch stoischer Gelassenheit hinter dem Mops her wischen würden. Ich war nach der siebten Pfütze entnervt. Und das nicht nur, weil ich mit frischen Socken mitten in sie hineingelatscht bin. Hundepipi riecht auch nicht besonders lecker – und das winzige Lavendelästchen, das ich tagsüber unter mein Kissen lege, verduftet auch mehr und mehr. Ich mag gar nicht daran denken, dass zwischen dem vertrocknenden Zweig und Arne ein Zusammenhang bestehen könnte. Was, wenn ich mir das neulich auf dem Balkon nur eingebildet habe? Was, wenn der Tierarzt ein Filou ist? Wenn er an jeder Ecke eine Sandra, Wiebke oder Jasmin hat?
Diese Gedanken sind nicht schön. Aber leider ist das, was mich vom Nachdenken abhält, auch nicht besser. Um nicht sofort nach der Schicht in eine leere Wohnung zu gehen, habe ich die Bahn bis zum Hauptbahnhof genommen. Einmal die Königsstraße rauf und wieder runter, habe ich gedacht, würde mich schon auf andere Gedanken bringen. Am Brezelstand direkt an der Rolltreppe nach oben habe ich mir ein gummiartiges Laugengebäck besorgt. Iss niemals Brezeln, wenn die Luftfeuchtigkeit etwas zu hoch ist, hatte Tante Trude mir stets eingetrichtert. Heute scheint das Hygrometer Überstunden zu machen, denn die Brezel hat keine einzige knusprige Stelle. Lustlos reiße ich mit den Zähnen ein Stück ab (durchbeißen geht bei der Konsistenz nicht) und fädele mich hinter zwei stark schwäbelnden Frauen in den Strom der Fußgänger ein.
»Ha no, häsch gsäh, lauder Pack am Bahnhof«, zetert die eine.
»Ha no, so äbbes händ mir en Tübinga ned«, lamentiert die andere.
Klar, es ist Freitagmittag und damit ›Land-Tag‹ in Stuttgart. Das halbe Umland zwängt sich in die Autos, flucht über nicht vorhandene Parkplätze und stürmt die Fußgängerzone auf der Jagd nach Schnäppchen. Ich bleibe stehen und lasse eine Schülergruppe vorbeiziehen. Dann bummle ich weiter.
Wie immer zieht mich die große Buchhandlung magisch an. Und wie immer komme ich nicht mal in die zweite Etage, weil ich mich schon bei den Bestsellertischen im Eingangsbereich festlese. Mit dem frisch erstandenen Krimi von Willibald Spatz steuere ich die große Freitreppe neben der Buchhandlung an. Als ich mir eben einen Platz ausgeguckt habe, tippt mir von hinten jemand auf die Schulter. Ich zucke zusammen und erwarte, dass mich gleich zwei starke Arne-Arme umfangen.
»Du?«, quietsche ich stattdessen.
»Hi, Tanja«, flüstert Bernd Kube. Ich habe ja auf viel Lust, aber ganz bestimmt nicht auf einen durchgeknallten Nachbarn, der Filme mit bekloppten Untertiteln unterlegt.
»Auch da?«, fragt er und starrt den Boden an.
»Scheint so«, pampe ich.
»Du, magst du ein Eis?«
Bitte? Das hat mich keiner mehr gefragt, seit ich 14 war!
»…«
»Also ja? Ich würde dich einladen.«
Oh Mann. Bitte nicht!
»Ooookay«, sage ich gedehnt und hoffe, dass Bernd mir meine Unlust anhört.
»Cool!«
Aus der Nummer komm ich nicht raus. Ich folge Bernd und frage mich, ob er seinen Hintern zu Hause gelassen hat. Die ausgewaschene Jeans schlackert nur so um seinen Körper. Ein paar Kalorien können ihm nicht schaden.
Bernd steuert das Marché an. In dem Selbstbedienungstempel war ich seit Monaten nicht mehr – aber das Eis, das aus einer kleinen Theke am Eingang verkauft wird, ist durchaus gut. Bernd bestellt für sich vier Kugeln Stracciatella. Ich nehme eine Schoko. Mit unserem Eis suchen wir einen nicht besetzten Blumenkübel und werden vor H&M fündig. Eine Weile schlecken wir schweigend. Dann ergreift Bernd das Wort.
»Du bist doch eine Frau«, haspelt er. Boah! Blitzmerker!
»Ja, ich gehe davon aus.«
»Also, was ich fragen wollte … die Jasmin … also … ich würde gerne
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