Nicht ohne meinen Mops
dürfen.
Leider hat meine Hose nur die Dehnkapazität für drei Portionen Panna Cotta. Dann ist Schluss, der Bund kneift und ohnehin ist die Schüssel leer. Arne hat sie ausgekratzt. Schweigend. Genussvoll. Als er jetzt über den Löffel leckt, stelle ich mir vor, dass ich gerne Besteck wäre. In seinem Mund. Haaaach …
»Du arbeitest also beim Tiernotruf?«, unterbricht Rolf meine Träumereien. Vor lauter Schlemmen haben wir doch glatt eine ordentliche Konversation zu Tisch vergessen!
»Ich kenn das nur aus dem Fernsehen«, fügt Chris hinzu und beginnt, das Geschirr in die Maschine zu stellen. Ohne dass man ihn gebeten hätte, nimmt Arne seinen Teller und das Besteck und räumt es weg. Alle Achtung!
»Na ja, bislang gab es so was nur in Berlin und München«, erzählt Arne, während wir alle vier auf den Balkon gehen. Rolf schmeißt eine Runde Camel, aber Arne lehnt ab. Er zieht ein Päckchen Zigarillos (die teuren, ich kenn mich aus) aus der Tasche seines karierten Hemdes. »Jetzt gibt es hier in Stuttgart ein Modellprojekt. Ich dachte, das wäre eine ganz gute Überbrückung für mich, nach der Zeit in der Kleintierklinik.«
»Überbrückung?«, frage ich und sauge genüsslich den Rauch in meine Lunge. Es schmeckt tatsächlich – der Kater scheint sich vom Acker gemacht zu haben.
»Die Stelle ist befristet auf sechs Monate. Je nachdem, wie der Notruf ankommt und vor allem wie die Spenden fließen. Oder eben auch nicht fließen. Wir waren quasi vorgewarnt, dass die Schwaben nicht ganz so schnell auf Neues einsteigen, wie die Nordlichter … aber vielleicht irren wir uns ja auch!« Arne bläst einen Rauchkringel in den Nachthimmel. Außer Tante Trudes Nachbarn, Herrn Winze, kenne ich niemanden, der das tatsächlich kann. Punkt für Arne.
»Im Moment fahren wir mit einem ganz normalen Krankenwagen, den das Olgahospital ausrangiert hat. Eigentlich sollten wir noch einiges umbauen, aber tja, das Geld«, sagt Arne und zuckte mit den Schultern. »Dabei ist es wirklich eine sinnvolle Sache. Ich denke da nicht nur an die Tiere in Not, denen geholfen wird, sondern auch an die Menschen, an die Besitzer.«
»Genau«, pflichte ich bei und weiß mit einem Mal, was Arne sagen will. Ich fühle es einfach. Er denkt an all die alten Frauen, deren einziger Lebensinhalt das kleine Pudelchen ist. Und wenn nun Miez oder Bello etwas zustößt, dann kann ein Muttchen nicht mitten in der Nacht ein Taxi rufen und zum nächsten Tierarzt fahren. Geschweige denn, dass Tierarztpraxen Nachtdienst hätten.
»Es ist doch so«, sagt Arne, »dass viele ältere Menschen nicht mehr mobil sind. Sie leben allein und der einzige Gefährte ist eine Katze oder ein Hund. Geht es dem Tier schlecht, dann sind viele Menschen nicht in der Lage, zum Tierarzt zu gehen.« Ich bekomme Gänsehaut – gleich wird Arne erzählen, dass er als Tierretter auch für Fundvögel, zugelaufene Igel und angefahrene Katzen zuständig ist.
»Na, und dann die kranken Wildtiere, Igel, die gefunden werden, oder Streuner, die wir einfangen müssen, weil sie unter ein Auto geraten sind.«
Langsam wird mir das unheimlich. Rolf und Chris hören gebannt zu. Sie ahnen ja nicht, was gerade in meinem Kopf vorgeht. Tanja, die Hellseherin!
Aus der Küche hören wir ein herzhaftes Gähnen. »Ah, der Patient erwacht«, sagt Rolf. Earl tappt auf den Balkon, streckt sich, gähnt und pupst genüsslich. Ich laufe knallrot an – wie kann er nur? Zu allem Übel beherrscht Earl ein Kunststück, dass kaum einem Säugetier gelingt: Laute Pupse stinkend zu machen. Und dieser hier riecht erbärmlich. Rolf schaut ganz betreten drein, Chris hält sich die Hand vor die Nase und sagt »Püüüüh« und ich starre in den Himmel, als ob ich nicht da wäre.
»Sag mal, Earl, faulst du innerlich?« Arne lacht herzhaft. »Na, immerhin funktioniert die Verdauung«, fügt er hinzu und beugt sich zu Earl. Der sieht sehr, sehr stolz aus. Wahrscheinlich findet der Mops es unglaublich attraktiv, solche Düfte abzusondern.
»Ich denke, da schlägt eine der Nebenwirkungen durch«, meint Arne. »Ihr solltet mal besser eine Runde mit eurem Freund drehen, das könnte Durchfall bedeuten.«
»Aber nicht hier oben!«, ruft Chris und stürzt in den Flur. Fünf Sekunden später winkt er mit der Leine. Earl saust zu ihm hin.
»Ich geh mal mit«, sagt Rolf. »So ein bisschen frische Luft kann mir nicht schaden.« Verstohlen zwinkert er mir zu. Einen Augenblick später sind die drei verschwunden und ich! Bin!
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