Nicht so laut vor Jericho
Ärger. »Daschrini, ya hamra!« Das ist arabisch und heißt »Halt den Mund!«
Die arabischen Sender beginnen ihr Programm um 9 Uhr. Am nächsten Tag erschien um diese Zeit der jordanische Ministerpräsident – ein eleganter Mann, ungeachtet seines Schielens –, der mit gutturaler Stimme eine Ansprache an die Beduinengewerkschaft hielt. Er sprach ungefähr eine Stunde, und zwar gegen den Feind, also gegen uns; jedesmal, wenn er »Falastin biladna, vaal Yachud kiladna!« ausrief (was soviel heißt wie »Palästina gehört uns, Tod den Juden!«), fiel ich begeistert in den Applaus ein. Anschließend nahm ich mit großer Freude die Darbietungen eines Streichorchesters entgegen. Jeder dieser Geiger ist ein Virtuose seines Fachs. Und sie alle – einige von ihnen schielen – sind wunderbar aufeinander abgestimmt. Keiner fällt aus dem Rhythmus, der für ungeübte Hörer ohne Dachantenne vielleicht etwas eintönig klingt, aber für Zwecke der Einschläferung geradezu ideal ist. Mit halb offenem Mund und halb geschlossenen Augen saß ich da und merkte gar nicht, daß meine Frau vor mir stand:
»Ephraim«, flüsterte sie angsterfüllt. »Um Himmels willen, Ephraim! Was machst du da?«
Was mache ich da? Ich hielt ein Perlenhalsband in der Hand und ließ die einzelnen Perlen durch meine Finger gleiten, eine nach der andern. Wann ich es meiner Frau vom Hals gerissen hatte, wußte ich nicht mehr. Aber es beruhigt die Nerven…
Seit neuestem ertappe ich mich dabei, wie ich etwas Gutturales vor mich hinsumme. Mein Gewicht nimmt zu. Gestern, während der Rede von Nasser, verzehrte ich mehrere Portionen Humuss mit Burgul und einen Korb Pistazien. Die Rede gefiel mir. Auch Nasser gefällt mir. Mir ist, als wäre er mein Bruder. Dennoch sehnte ich mich nach dem Anblick der Dunkelhaarigen mit den Grübchen, schon um sie endlich meinem kleinen Sohn zu zeigen. Leider erschien an ihrer Stelle abermals die schielende Sprecherin, die ein lustiges Lustspiel ankündigte. Ich lachte mich krank und wollte auch meine Frau an dem Vergnügen teilhaben lassen.
»Weib«, rief ich. »Yah, Weib! Schlabi ktir!«
Ihre Antwort lautete:
»Aiuah!«
In der letzten Zeit schielt sie ein wenig, die Süße. Mich stört es nicht. Wir kommen besser miteinander aus als je zuvor. Vor ein paar Tagen allerdings schrie sie mich zornig an, als ich meine Wasserpfeife auf den neuen Teppich ausleerte. Macht nichts. Dafür beherrscht sie die schwierigsten arabischen Brettspiele. Gestern abend, als wir uns mangels eines arabischen Programms vom Bildschirm abwandten, wo ein dummer amerikanischer Krimi lief, besiegte sie mich dreimal hintereinander.
Ich gehe nur noch in Pantoffeln und sitze mit Vorliebe auf bunten, weichen Kissen.
Meine europäische Herkunft macht es mir schwer, mich richtig und rasch zu assimilieren. Aber mit Allahs Hilfe
Ich hoffe es.
Wie rächt man sich an Verkehrspolizisten?
Zu den Ursachen der schweren Existenzkrise, in die sich die Menschheit verstrickt sieht, gehört der Mangel an Parkplätzen. Eine Lösung dieses Problems ist – abgesehen von den Staaten des Ostblocks – noch nirgends geglückt. Im Gegenteil, die Situation verschärft sich von Tag zu Tag. In Amerika ist jede fünfte Person ein Autobesitzer. In Israel ist jede fünfte Person ein Verkehrspolizist.
Wir saßen auf der Terrasse unseres Lieblings-Cafés, Jossele und ich, schlürften unseren Lieblings-Espresso und warfen sehnsüchtige Blicke auf die Parkverbotstafeln entlang des Gehsteigs. Um diese dämmerige Abendstunde pflegten wir das »Espresso-Gambit« zu eröffnen, auch »Auto-Adoptivspiel« genannt. Aber noch wollte sich kein Verkehrspolizist zeigen. Es dauerte eine gute Stunde, ehe der erste Vertreter dieser liebenswerten Spezies auftauchte, schlank, rank, schlenkernden Schritts und gestutzten Schnurrbarts.
In fiebriger Anspannung warteten wir, bis er vor einem knallroten, zwischen zwei Parkverbotstafeln parkenden Sportwagen halt machte und den Strafzettelblock aus seiner Brusttasche zog. Als er den Bleistift ansetzte, also genau im richtigen Augenblick, sprang Jossele auf und stürzte hinzu:
»Halt, halt!« keuchte er. »Ich bin da nur für eine Minute hineingegangen… nur um rasch einen Espresso zu trinken…«
»Herr«, antwortete das Gesetz, »erzählen Sie das dem Verkehrsrichter.«
»Wenn ich doch aber wirklich nur für eine Minute…«
»Sie stören eine Amtshandlung, Herr!«
»Wirklich nur für einen raschen Espresso… Wie
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