Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
SCHÖNHEIT WASHINGTONS«.
     
    Die Kunde verbreitete sich wie ein Lauffeuer von Küste zu Küste. Als ich in Houston, Texas, aus dem Flugzeug stieg, erwartete mich eine Schar von minderwertigkeitskomplexzerfressenen Cowboys. Der Führer der Delegation, 1.98 hoch, trat auch mich zu:
    »Hey! Sind Sie der tolle Kerl, der überall auf New York schimpft?«
    »Hängt davon ab«, antwortete ich. »Was wird hier geboten?«
    Geboten wurde eine Suite im Hilton, eine Limousine mit Chauffeur und unbegrenzte Quantitäten von Whisky mit Eis. Dem Gala-Diner, das der Bürgermeister für mich gab, wohnten sämtliche Ölmagnaten der Gegend bei. Sie berührten kaum ihre Steaks. Sie hielten nur ihre Blicke auf mich gerichtet, wortlos, reglos, erwartungsvoll. Ich ließ die Spannung genüßlich ansteigen, ehe ich das Verfahren eröffnete:
    »Meine Herren«, sagte ich, »ich möchte Sie keineswegs kränken aber mit New York stimmt etwas nicht. Es ist keine Stadt, sondern eine riesige, übelriechende Haschischkneipe. Es sollte polizeilich gesperrt werden.«
    Der donnernde Applaus, der daraufhin losbrach, machte die Rinderherden ringsum erzittern. Und nach meinem Fernseh-Interview (»Der durchschnittliche New Yorker Riese ist 3 Inches kleiner als der durchschnittliche Zwerg in Texas«) konnte ich mich der Einladungen von allen Seiten nach allen Staaten kaum noch erwehren.
    Der Mann, der die Sache jetzt in die Hand nahm, hieß Charlie und stellte sich mir mit folgenden Worten vor: »Du bist Olympiaklasse. Höchster Himalaya! Deine New Yorker Masche kommt ganz groß an. Was du brauchst, ist ein Agent. Ich heiße Charlie.«
    Wir schlossen einen Vertrag für die Dauer eines Jahres. Charlie ließ sofort einen Prospekt mit Preisliste drucken, der in übersichtlicher Form alles Wissenswerte über mich enthielt:
     
    »Allgemeine Bemerkungen zur Übervölkerung New Yorks: Einladung zum Dinner (sechs Gänge).
    Detaillierte Beschreibung des moralischen Zusammenbruchs: Wohnung und Verpflegung für zwei Tage in einem erstklassigen Hotel.
    Ausgewählte Beispiele nächtlicher Verbrechen (mit Lichtbildern): sechs Tage in einem Hotel der Luxusklasse. Ermäßigte Gebühren für Vereine. Jeden Mittwoch Matinee. Anmeldung jetzt!«
     
    Das städtische Baseball-Stadion in Los Angeles, wo Billy Graham seine Predigten hält, konnte die Menge kaum fassen. Um die Geduld der Leute nicht unnötig auf die Probe zu stellen, beschränkte sich der Gouverneur von Kalifornien zur Begrüßung auf zwei kurze Sätze: »Unser weltberühmter, weitgereister Freund ist erst vor wenigen Tagen der Hölle von New York entronnen. Hören wir, was er zu sagen hat.«
    Ich trat ans Mikrofon:
    »Liebe Freunde, beneidenswerte Bewohner der Westküste! Nicht einmal die unvergleichliche Schönheit Ihrer Stadt ist imstande, mich die Qualen vergessen zu lassen, die ich in New York zu erdulden hatte. Aber seit ich hier bei Ihnen bin, empfinde ich keinen Haß mehr gegen dieses moderne Sodom, nur noch Mitleid. Was ist denn New York in Wahrheit? Ein Wolkenkratzer-Slum, ein Asphalt-Dschungel, durchsetzt von stinkenden Sümpfen, in denen die wilden Alligatoren des Gelderwerbs skrupellos über den ahnungslosen Besucher herfallen und ihn zerfleischen, wenn er nicht schon vorher den Giftpflanzen der Korruption und Brutalität zum Opfer gefallen ist…«
    So wurde ich zum Dichter. Und als ich noch einige leicht ins Ohr gehende Strophen über die New Yorker Lasterhöhlen und Perversitäten zugab, schloß die Elite von Los Angeles mich vollends ins Herz. Die vornehmsten Kreise rissen sich um mich und hörten mir so lange zu, bis sie meine Texte auswendig konnten und nach New York flogen, um sich ein paar Nächte gut zu unterhalten. Aber ich war längst nicht mehr auf sie angewiesen. Ich war auf Monate ausgebucht.
    Eine Schallplattenfirma in San Francisco schlug mir vor, ein Album mit den markantesten Passagen meiner Vorträge herauszubringen, betitelt:
    ›Ich will New York begraben, nicht es preisen.‹
    Charlie war dagegen. Unsere Tournee, so fand er, würde an einer Langspiel-Verfluchung New Yorks schweren Schaden nehmen, weil sich dann jeder Amerikaner für $ 2.99 zu Hause seinen Orgasmus verschaffen könnte. »Die sollen nur schön dafür zahlen«, sagte er.
    Ich bereicherte meine Vortragsfolge durch Zitate aus Dantes ›Inferno‹ mit Orgelbegleitung und Schaum vor dem Mund (Technicolor). In Chicago gerieten sie außer Rand und Band über meine apokalyptischen Visionen.
    »Die Hölle wird diese

Weitere Kostenlose Bücher