Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
Vom Netzwerk:
traf Anstalten, sich über drei Reihen hinweg auf mich zu stürzen, aber da brach es im ganzen Haus los:
    »Gerschon Messinger hat recht!« erklang es ringsum. »Er hat hundertprozentig recht! Ihr verdient nichts Besseres von ihm! Hände weg von Gerschon Messinger! Maul halten! Hoch Gerschon Messinger!«
    Es war, nehmt alles nur in allem, wieder einmal ein erhebender Beweis dafür, daß wir Israelis – mögen uns sonst auch alle erdenklichen Konflikte und Meinungsverschiedenheiten voneinander trennen – in den Augenblicken der Entscheidung eisern zusammenstehen.
     

Wie man Freunde gewinnt
     
     
    Der technische Fortschritt und besonders die immer neuen Kommunikationsmöglichkeiten haben auch in unserem Lande die Schranken zwischen Mensch und Mensch beiseitegefegt – besonders am Abend, solange die Vorhänge an den Fenstern noch nicht zugezogen sind.
     
    Eines Abends klingelte es an unserer Tür. Sofort sprang die beste Ehefrau von allen auf, eilte quer durchs Zimmer und auf mich zu und sagte: »Geh aufmachen.«
    Vor der Tür standen die Großmanns. Dov und Lucy Großmann, ein nettes Ehepaar mittleren Alters und in Pantoffeln. Da wir einander noch nie direkt begegnet waren, stellten sie sich vor und entschuldigten sich für die Störung zu so später Stunde.
    »Wir sind ja Nachbarn«, sagten sie. »Dürfen wir für einen Augenblick eintreten?«
    »Bitte sehr.«
    Mit erstaunlicher Zielsicherheit steuerten die Großmanns in den Salon, umkreisten den Flügel und hielten vor dem Teewagen inne.
    »Siehst du?« wandte sich Lucy triumphierend an ihren Gatten. »Es ist keine Nähmaschine.«
    »Ja, ja, schon gut.« Dovs Gesicht rötete sich vor Ärger. »Du hast gewonnen. Aber vorgestern war ich im Recht. Sie haben keine Encyclopaedia Britannica.«
    »Von Britannica war nie die Rede«, korrigierte ihn Lucy. »Ich sagte nichts weiter, als daß sie eine Encyclopädie im Haus haben und überhaupt sehr versnobt sind.«
    »Schade, daß wir deine geschätzten Äußerungen nicht auf Tonband aufgenommen haben.«
    »Ja, wirklich schade.«
    Es blieb mir nicht verborgen, daß sich in dieses Gespräch eine gewisse Feindseligkeit einzuschleichen drohte. Deshalb schlug ich vor, daß wir alle zusammen Platz nehmen und uns aussprechen sollten, wie es sich für erwachsene Menschen geziemt.
    Die Großmanns nickten – jeder für sich – zustimmend, Dov entledigte sich seines Regenmantels, und beide setzten sich hin. Dovs Pyjama war graublau gestreift.
    »Wir wohnen im Haus gegenüber«, begann Dov und zeigte auf das Haus gegenüber. »Im fünften Stock. Voriges Jahr haben wir eine Reise nach Hongkong gemacht und haben uns dort einen hervorragenden Feldstecher gekauft.«
    Ich bestätigte, daß die japanischen Erzeugnisse tatsächlich von höchster Qualität wären.
    »Maximale Vergrößerung eins zu zwanzig«, prahlte Lucy und zupfte an ihren Lockenwicklern. »Mit diesem Glas sehen wir jede Kleinigkeit in Ihrer Wohnung. Und Dobby, der sich manchmal gern wie ein störrisches Maultier benimmt, hat gestern steif und fest behauptet, daß der dunkle Gegenstand hinter Ihrem Flügel eine Nähmaschine ist. Er war nicht davon abzubringen, obwohl man auf diesem Gegenstand ganz deutlich eine Blumenvase stehen sah. Seit wann stehen Blumenvasen auf Nähmaschinen? Eben. Aber Dobby wollte das nicht einsehen. Auch heute noch haben wir den ganzen Tag darüber gestritten. Schließlich sagte ich zu Dobby: ›Weißt du was? Wir gehen zu denen hinüber, um nachzuschauen, wer recht hat‹. Und hier sind wir«.
    »Sie haben richtig gehandelt«, lobte ich. »Sonst hätte der Streit ja nie ein Ende genommen. Noch etwas?«
    »Nur die Vorhänge«, seufzte Dov.
    »Was ist’s mit den Vorhängen und warum seufzen Sie?« fragte ich.
    »Weil, wenn Sie die Vorhänge vor Ihrem Schlafzimmer zuziehen, können wir gerade noch Ihre Füße sehen.«
    »Das ist allerdings bitter.«
    »Nicht daß ich mich beklagen wollte!« lenkte Dov ein. »Sie brauchen auf uns keine Rücksicht zu nehmen. Es ist ja Ihr Haus.«
    Die Atmosphäre wurde zusehends herzlicher. Meine Frau servierte Tee und Salzgebäck.
    Dov fingerte am Unterteil seiner Armlehne. »Was mich kolossal interessieren würde…«
    »Ja? Was?«
    »Ob hier noch der Kaugummi pickt. Er war rot, wenn ich nicht irre.«
    »Blödsinn«, widersprach Lucy. »Er war gelb.«
    »Rot!«
    Die Feindseligkeiten flammten wieder auf. Können denn zwei zivilisierte Menschen keine fünf Minuten miteinander sprechen, ohne zu streiten? Als ob es

Weitere Kostenlose Bücher