Nicht so laut vor Jericho
anstrengenden Part und teilten mir nach Beendigung der Aufnahmen mit, daß sie ihn nicht mehr übernehmen würden. Der Gegenspionage-Kapitän war ihnen zu schwer. Obendrein aß er die ganze Zeit.
Was tun? Es half nichts – auch Lollik mußte dran glauben. Ein Dumdum-Geschoß erledigte ihn aus dem Hinterhalt.
Die Tochter des emeritierten Scheichs warf sich über die väterliche Leiche und schluchzte herzzerreißend.
Das heißt, zu diesem Zweck wurde sie von den verzweifelten Rufen eines plötzlich herbeieilenden Managers aufgestöbert:
»Fräulein Weinstein! Wo stecken Sie, Fräulein Weinstein? Ihr Solo kommt dran! Wir warten auf Sie! Schnell, schnell!«
Wie sich herausstellte, wirkte Zipi Weinstein inzwischen bei den Darbietungen einer neuen jemenitischen Tanzgruppe in Haifa mit. Auch sie, das sagte mir eine innere Stimme, würde ich bei unseren Dreharbeiten nie wieder zu sehen bekommen. Folklore schlägt Film.
Ich beförderte sie durch einen tödlichen Sturz von einem nahegelegenen Felsen ins Jenseits. Natürlich konnte man sie nicht wirklich stürzen sehen, weil sie ja nach ihrem Solo mit den Jemeniten weiterzog. Also verlegte ich die Kamera ins Kommando-Zelt, wo man von fern den Todesschrei einer weiblichen Stimme hörte. Bald darauf trat mit gesenktem Kopf und sichtlich gebrochen der Kuhhirt ein:
»Sie hat sich zu weit vorgewagt… aber sie mußte nicht lange leiden… ihr letztes Wort war Tanger.«
An dieser Stelle ließ sich der Funker zu einer Bemerkung hinreißen, die ich nur als zynisch empfinden konnte. Er behauptete, daß Tanger unter der Oberhoheit Spaniens stünde, dessen Regierung sich zu Israel wohlwollend neutral verhielte, weshalb es vielleicht ratsam wäre… Ich brachte den drittklassigen Komparsen, dem ich eine geradezu lächerlich hohe Gage zahlte, durch einen eisigen Blick zum Schweigen.
Für Zipi Weinstein flocht ich ein würdiges Begräbnis ins Drehbuch ein. Begräbnisse wirken im Film immer gut. Man kann sie auch ohne Schauspieler drehen. Grischkas Geist hielt die Grabrede, die ich, meine Schreibmaschine auf den Knien, noch rasch gedichtet hatte.
Nach dem Begräbnis nahm mich Grischka beiseite:
»Ich habe über meine Rolle nachgedacht«, erklärte er. »Mein jetziger Tod befriedigt micht nicht. Wer stirbt schon gerne unsichtbar. Es wäre sowohl vom dramatischen wie vom rein optischen Standpunkt besser, wenn ihr mich im Wüstensand begrabt. Eine Art neuer Moses, dem es nicht mehr vergönnt war –«
»Podmanitzki«, unterbrach ich ihn, »was soll das?«
»Ich hab’ das so im Gefühl. Mir ist nach Sterben und Begrabenwerden zumut.«
»Und warum?«
»Mein Sohn bekommt morgen vormittag das Abgangszeugnis vom Kindergarten, und ich habe ihm versprochen, dabei zu sein. Lassen Sie mich heute nacht sterben. Ich werden Ihnen mein Leben lang dankbar sein.«
»Möchten Sie mir«, brüllte ich ihn an, »vielleicht sagen, wer eigentlich Tanger erobern soll, wenn mir alle Eroberer wegsterben?!«
»Das Kind«, fuhr Podmanitzki unbeirrt fort, »hat eigens für diese Feier ein Gedicht auswendig gelernt.«
»Hol Sie der Teufel!«
Der Teufel holte ihn in Gestalt einer Mine, mit deren Hilfe ich
Grischkas Geist endgültig explodieren ließ.
Als auch Podmanitzki von uns gegangen war, mußte ich die Sachlage neu überdenken. Suchend spähte ich umher. Mein Blick fiel auf den für insgesamt fünf Drehtage engagierten Funker. Es scheint ein unheilkündender Blick gewesen zu sein, denn jener verkroch sich zitternd hinter einem rostigen Weinfaß, das in der Ecke des Produktionsbüros stand. Und da kam mir ein genialer Einfall. Ich starrte den Funker an und trat langsam auf ihn zu.
»Nein«, flüsterte er mit angstverzerrtem Gesicht. »Das nicht. Das können Sie mir nicht antun… Ich habe noch für zwei Tage Vertrag… Ich bin jung… Ich will leben! Nein!« Und seine Stimme ging in ein unartikuliertes Wimmern über.
Am nächsten Tag ließ ich ihn in der Wüste verdursten. Ein grausamer Tod, gewiß, aber wer sich mir gegenüber auf Verträge beruft, verdient kein Mitleid.
Jetzt war nur noch der Kuhhirt übrig.
»Tanger!« stieß er hervor, während die Kamera aus gewagtem Schußwinkel sich auf den Wasserturm des Kibbuz richtete. »Tanger!« Und mit scharfer Kommandostimme rief er sich selber zu: »Mir nach!«
In diesem Augenblick, dicht vor der Einnahme der Raketenbasis, wurden wir von der Leitung des Kibbuz brutal unterbrochen: der Kuhhirt müsse unverzüglich in den Stall kommen, wo ihn
Weitere Kostenlose Bücher