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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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verständigen«, haucht sie. Im Sommer neigen wir mehr zu kurzen Sätzen. Und zur Lektüre von Krimis. Da überläuft uns doch wenigstens ab und zu ein kalter Schauer.
    Was wollten wir? Ach ja. Wir wollten die Witwe Seelig benachrichtigen, daß ihr Mann bei der Verteidigung des Dizengoff-Boulevards gegen die Hitze gefallen war.
    Die Witwe Seelig wohnt zwei Wände weit entfernt. Wie soll man sie erreichen?
    Mit einer übermenschlichen Anstrengung erhebe ich mich und ziehe meinen gepeinigten Körper hinter mir her, bis ich die Tür unserer Wohnung erreicht habe. Durch diese Tür verlasse ich unsere Wohnung. Die Tür fällt hinter mir ins Schloß.
    Erschöpft lehne ich mich ans Treppengeländer, um mit heraushängender Zunge ein wenig Luft zu schnappen, falls es eine solche gibt. Aber es gibt keine.
    Es gibt nur Hitze. Großer Gott, was für eine Hitze. Sie dörrt einem das Hirn aus, falls man ein solches hat. Aber man hat keines. Man weiß nicht einmal, warum man hier am Treppengeländer lehnt.
    Wirklich: Was suche ich hier? Warum habe ich meine Wohnung verlassen? Ich möchte in meine Wohnung zurück.
    Geht nicht. Die Tür ist zu. Was nun. Ein Mann steht vor seiner eigenen Wohnung, in der sich seine eigene Frau befindet, und kann nicht hinein. Was tut man da?
    Es ist heiß. Es wird immer heißer.
    Ich werde die Stiegen hinuntergehen und jemanden bitten, meine Frau zu verständigen, daß ich draußen stehe. Ich könnte ihr auch telegrafieren. Ja, das ist die Lösung: ein Telegramm.
    Aber wie komme ich aufs Postamt? Und natürlich ist niemand in der Nähe, den man fragen könnte.
    Ein Autobus erscheint. Ich steige ein. Hinter mir die Hitze.
    »Was?« fragt mit fieberglänzenden Augen der Fahrer.
    In der Tasche meines Pyjamas entdecke ich eine Pfundnote und drücke sie ihm wortlos in die Hand. Dann wende ich mich an den mir Zunächststehenden:
    »Entschuldigen Sie – wohin fährt dieser Bus?«
    Der Mann kehrt mir langsam sein Gesicht zu, und ich werde den Ausdruck dieses Gesichts nie vergessen:
    »Wohin fährt was?«
    »Der Bus.«
    »Welcher Bus?«
    Damit stolpert er zur Ausgangstür und hinaus in den Schatten. Das war sehr vernünftig. Auch ich stieg aus.
    »Heda, Sie!« hörte ich hinter mir die Stimme des Fahrers. »Sie bekommen noch auf Ihre zehn Pfund heraus!«
    Ich drehte mich nicht einmal um. Widerwärtiger Pedant.
    An der Straßenecke befiel mich unwiderstehliche Gier nach Eiscreme. Eine große Portion, gemischt, Vanille, Schokolade und Erdbeer. Und diese ganze Portion möchte ich mir auf einmal unters Hemd schütten, rückwärts durch den Kragen. Worauf warte ich noch?
    Richtig. Die Wohnungstür ist ins Schloß gefallen.
    Von fern her dämmert ein ungeheuerlicher Gedanke auf mich zu: Ich hätte an der Wohnungstür läuten können. Die beste Ehefrau von allen hätte sich dann möglicherweise gesagt, daß jemand hereinmöchte, und hätte geöffnet. Warum ist mir das nicht früher eingefallen?
    Weil ich aufs Postamt gehen wollte, deshalb.
    »Haben Sie zufällig hier in der Gegend ein Postamt gesehen?« frage ich einen Polizisten, der sich unter der Markise einer Küchen- und Heizwarenhandlung versteckt hält.
    Der Polizist nestelt ein Büchlein aus seiner schweißverklebten Brusttasche und blättert lange hin und her, ehe er mir Auskunft gibt:
    »Das Überschreiten der Straßen ist nur innerhalb der weißen Markierungen gestattet. Gehen Sie nach Hause.«
    Seine roten Augen brennen wie langsam verlöschende Kohlen, und seine Stimme klingt sonderbar dumpf und gurgelnd. Ich habe in der letzten Zeit wiederholt feststellen müssen, daß auch ich gelegentlich solche Grunzlaute von mir gebe, besonders wenn ich zu Hause bin und besonders wenn ich nicht zu Hause bin. Es könnte an der Hitze liegen.
    Aber das ändert nichts daran, daß ich jetzt nach Hause gehen muß. Anordnung des Polizisten. Der Staatsgewalt darf man sich nicht widersetzen. Schon gar nicht bei dieser Hitze. Und es wird immer noch heißer. Rasch nach Hause.
    Wo wohne ich? Wo? Das ist das wahre Problem, das jetzt gelöst werden muß..
    Wir werden es lösen. Nur keine Aufregung. Nur nicht nervös werden. Ruhe. Die Gedankenarbeit nimmt ihre Tätigkeit auf, und alles wird wundersam klar.
    Ich wohne in einem dreistöckigen Haus, dessen Fenster nach außen gehen. Muß irgendwo hier in der Nähe sein. Eines von diesen Häusern, die alle gleich aussehen. Haustor, Stockwerke, Fernsehantenne auf dem Dach. Besondere Kennzeichen: Der Inhaber dieses Reisepasses hat bei

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