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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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feststünde, daß Tuwal nicht mehr zurückkäme, dann, so erläuterte mir der Manager, würde man die Fabrik vielleicht zusperren oder eine näher zum Postamt gelegene aufbauen. Aber so? Diese quälende Ungewißheit war entsetzlich. Das Direktorium hatte das Problem bereits dem Verteidigungsminister unterbreitet. Auf den Fließbändern herrschte die reinste Anarchie, denn es gab keinen Botenjungen, der die Anweisungen und Entwürfe ausgetragen hätte. Auch die Finanzgebarung stand vor einer Katastrophe, da Schecks weder ab- noch eingingen.
    »Haben Sie«, erkundigte ich mich vorsichtig, »schon daran gedacht, einen anderen Botenjungen zu suchen?«
    »Unmöglich. Diese jungen Bengel wollen ja nicht arbeiten. Sie lassen sich das Geld für zehn Busfahrten geben und verschwinden. Aber Tuwal hat ein Fahrrad. Wir müssen auf ihn warten…«
    Auf der Börse fielen die Aktien der Gesellschaft um vier Punkte, als bekannt wurde, daß ihr Botenjunge sie verlassen hatte. Aus diesem Grund waren auch größere Unternehmen schon in Konkurs gegangen.
    Wo steckte Tuwal? Warum kam er nicht?
    Wir schoben den Kühlschrank, der nun schon ganz eindeutig ein Pestschrank geworden war, auf den Balkon hinaus und versperrten die Türe. In den Zeitungen lasen wir von neuen Spannungen an der syrischen Grenze. Sollten die Syrer beabsichtigen, Tuwals Erkrankung auszunützen?
    Als ich gestern wieder den Manager anrief, meldete sich an seiner Stelle der Konkursverwalter, der zu retten versuchte, was noch zu retten war. Angeblich hat der Handelsminister einen genauen Bericht über den Hergang des Bankrotts angefordert. Der Bericht ist seit Tagen fertig, kann aber nicht zugestellt werden, weil kein Botenjunge da ist.
    In seiner nächsten Sitzung wird sich der Ministerrat mit der Angelegenheit beschäftigen.
     

Das Wunderkind
     
     
    Jüdische Eltern sind bereit, alles zu opfern, damit ihre Kinder ein besseres Leben haben, als sie selbst es hatten. Das durchschnittliche Judenkind muß seine Eltern auf allen Gebieten übertreffen, ob es will oder nicht. Es ist ihnen hilflos ausgeliefert. Sein einziger Ausweg: rasch zu wachsen.
     
    Ich liebe es, auf Parkbänken zu sitzen, aber nur im Winter. Denn da sich während der kalten Monate nur ein Irrsinniger ins Freie setzen würde, kann ich in Ruhe meine Kreuzworträtsel und Quizfragen lösen und vielleicht ein wertvolles Buch gewinnen, ohne daß mich jemand stört. So saß ich auch gestern wieder im Dezembersonnenschein auf meiner Bank und stellte mit Genugtuung fest, daß mir kein Gespräch drohte.
    Gerade als ich dabei war, 7 links senkrecht einzutragen, näherte sich von rechts waagrecht eine kümmerliche, farblose Erscheinung männlichen Geschlechts, blieb stehen, wandte sich zu mir und fragte:
    »Ist hier frei?«
    Mein »Ja« war kurz und alles eher als einladend, aber das hinderte den Störenfried nicht, sich auf das andre Ende der Bank niederzulassen. Ich vertiefte mich demonstrativ in meine senkrechten und waagrechten Probleme, wobei ich mittels gerunzelter Brauen anzudeuten versuchte, daß ich in meiner verantwortungsvollen Arbeit nicht gestört zu werden wünschte und daß niemand mich fragen sollte, ob ich diesen Park öfter besuche, ob ich verheiratet bin, was ich monatlich verdiene und was ich von unserer Regierung halte.
    Der Mann neben mir schien meine isolationistischen Tendenzen zu wittern. Er übersprang die einleitenden Floskeln und ging sofort aufs Ganze. Mit einer einzigen, offenkundig routinierten Handbewegung schob er mir ein halbes Dutzend Fotos von Postkartengröße, einen Knaben darstellend, unter die Nase:
    »Eytan wird übermorgen sechs Jahre«, gab mir der Begleittext bekannt.
    Pflichtschuldig überflog ich sechs Bilder, lächelte milde über das eine, auf dem Eytan die Zunge herausstreckte, und retournierte die mobile Ausstellung an den Besitzer. Dann vertiefte ich mich wieder in mein Kreuzworträtsel. Aber ich spürte in jeder Faser meines Nervensystems, daß ich dem Schicksal nicht entrinnen könnte. Und da kam es auch schon:
    »Ganz wie Sie wollen«, sagte der Mann und rief dem in einiger Entfernung herumtollenden Knaben durch den Handtrichter zu: »Eytan, komm schnell her. Der Herr möchte mit dir sprechen.«
    Eytan kam widerwillig herangeschlurft und blieb vor der Bank stehen, die Hände mürrisch in den Hosentaschen. Sein Vater sah ihn mit mildem Tadel an:
    »Nun? Was sagt man, wenn man einen fremden Herrn kennenlernt?«
    Eytan, ohne mich auch nur eines Blickes zu

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