Nicht tot genug 14
bist?«
»Ihr blöder Freund hat sie sitzen lassen, und da wollte sie sich richtig volllaufen lassen. Es wäre unhöflich gewesen, nicht mitzutrinken.« »Das stimmt wohl. Wie geht es dir jetzt?«
»Kaum besser als Sophie Harrington. Eben hatte ich noch den Kreiselmeier.«
»Trink Cola, es gibt nichts Besseres. Aber mit Zucker und Koffein.«
»Hab schon zwei Dosen intus.« Wieder der undurchdringliche Blick. »Ich glaube, ich habe dich noch gar nicht gefragt, wie es in Deutschland war. Hast du deine Frau gefunden? War das Wiedersehen schön?«
»Und ob du mich gefragt hast, schon fünfmal.«
Sie sah ihn verwundert an. »Hast du mir auch geantwortet?«
»Wie wäre es, wenn wir heute Abend essen gehen, dann erzähle ich es dir in Ruhe.«
Einen Augenblick lang fürchtete er, sie könne ihm eine Abfuhr erteilen. Dann lächelte sie ein wenig, wenn auch ohne echte Wärme. »Komm zu mir. Ich koche was Einfaches, Alkohol gibt’s keinen. Ich glaube, wir müssen uns ungestört und nüchtern unterhalten.«
»Ich komme, sobald ich kann, gleich nach der Abendbesprechung.« Dann trat er auf sie zu und gab ihr einen flüchtigen Kuss.
Zuerst wich sie ihm aus. »Roy, ich bin noch immer sehr wütend und verletzt.«
»Ich mag es, wenn du wütend bist.«
»Arschloch«, sagte sie grinsend.
Er küsste sie noch einmal, diesmal länger. Ihre Kittel raschelten, als sie einander umschlangen, wobei Grace ein Auge auf die Tür gerichtet hielt.
Dann machte Cleo sich los und schaute an sich hinunter. »Das geht nun wirklich nicht. Ich bin so wütend auf dich. Es ist der Kittel, der dich anmacht, was?«
»Noch mehr als schwarze Seidenwäsche!«
»Geh lieber wieder an die Arbeit, Detective Superintendent. Ein Poster im Argus, auf dem du beim Sex im Leichenschauhaus zu sehen bist, würde deinem Image nicht gerade guttun.«
Er folgte ihr in den Flur, während seine Gedanken wild durcheinander wirbelten. Die Presse hatte sie heute Morgen ganz schön in die Zange genommen, und er verstand, worauf die Leute hinaus wollten. Ein Mord an einer attraktiven jungen Frau konnte als isolierter Zwischenfall durchgehen, als Tat aus persönlichen Gründen. Zwei hingegen konnten eine Stadt, wenn nicht gar ein ganzes Land, in Panik versetzen. Falls die Presse von den Gasmasken erfuhr, würde sie Amok laufen.
Er hatte nicht bekannt gegeben, dass Sophie Harrington Brian Bishop angerufen hatte. Und dass dieser, vordergründig ein angesehener Geschäftsmann und Bürger von Brighton and Hove, Mitglied im Vorstand des Golfclubs und anerkannter Wohltäter, über ein sehr unerfreuliches Vorstrafenregister verfügte.
Laut Information des nationalen Polizeicomputers war Bishop im Alter von fünfzehn Jahren zu einer zweijährigen Jugendstrafe verurteilt worden, weil er eine vierzehnjährige Mitschülerin vergewaltigt hatte. Mit zweiundzwanzig erhielt er zwei Jahre auf Bewährung, weil er eine Frau angegriffen und ernsthaft verletzt hatte.
Je tiefer sein Team in Bishops Leben vordrang, desto stärker wurden die Verdachtsmomente gegen den Mann. Alison Vosper hatte vorhin gesagt, sein Londoner Alibi sei ein Problem. Doch es war nicht das einzige. Denn Bishop bestritt vehement, von der Lebensversicherung gewusst zu haben. Er schien die Wahrheit zu sagen, und das war ein schwer zu überwindendes Hindernis.
Dennoch war klar, dass Brian Bishop nicht zu unterschätzen war. Mit Freundlichkeit erreichte man kaum solche Erfolge, und Bishops hässliche, von Gewalt geprägte Vergangenheit tat ein Übriges. Grace durfte sich nicht von der Geschichte mit der Lebensversicherung täuschen lassen.
Allmählich tat Grace der Kopf weh. Am liebsten hätte er sich in eine dunkle Ecke gesetzt und wäre die beiden Fälle noch einmal in allen Einzelheiten durchgegangen. Die Spurensicherung würde noch einige Tage im Haus der Bishops zubringen, worüber er froh war. Er wollte den Mann außerhalb seiner gewohnten Umgebung erleben. In einem Hotelzimmer, in dem er wie ein Tier im Käfig festsaß, würde er seine Selbstsicherheit verlieren, was die Vernehmung einfacher gestaltete.
Sie hatten durchaus belastendes Material gegen Bishop gesammelt, doch war es noch zu früh für eine Verhaftung. Wenn sie ihn erst einmal festgenommen hatten, konnten sie ihn nur vierundzwanzig Stunden in Haft behalten, ohne ihn offiziell zu beschuldigen und die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Dabei war eine Verlängerung von zwölf Stunden möglich. Bislang reichten die Beweise noch nicht aus, und obwohl
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