Nicht tot genug 14
gefreut. Was ich bekam, waren drei Garnelen, kaum länger als mein kleiner Finger.«
»Haben Sie sich beschwert?«
»Ja, worauf es zu einer Begegnung mit einem Zwillingsbruder von Basil Fawlty kam, der ein uraltes Kochbuch anschleppte, in dem stand, dass man diese besondere Garnelenart gelegentlich auch als norwegischen Hummer bezeichnet.«
»Hört sich an, als sollte man da lieber nicht hingehen.«
»Außer Sie wollen sich mal so richtig den Tag versauen.«
»Stimmt.« Sie lächelte erneut, wenn auch nicht mehr ganz so herzlich wie zuvor. Vielleicht war ihr wieder eingefallen, dass sie und dieser Mann auf verschiedenen Planeten lebten. »Also kann ich davon ausgehen, dass Sie Ihre Frau in München nicht gefunden haben?«
Er fragte sich, woher sie wohl vom Grund seiner Reise wusste, und schüttelte den Kopf.
»Wie lange ist es jetzt her?«
»Etwas über neun Jahre.«
Sie schien noch etwas sagen zu wollen, goss sich aber stattdessen Wasser nach. »Möchten Sie auch Wasser? Tee oder Kaffee?«
»Nein, danke. Wie war denn Ihr Wochenende?« Er wollte unbedingt vom Thema ablenken und erfahren, weshalb sie ihn herbestellt hatte.
»Ich war auf einer Konferenz in Basingstoke, bei der es um die Verbesserung unsere Effizienz ging – besser gesagt, um die öffentliche Wahrnehmung unserer Effizienz. Wieder so eine kosmetische Maßnahme von Tony Blair. Ein Haufen geleckter Marketing-Gurus erzählte uns, wie wir unsere Ergebnisse präsentieren, Strategien entwickeln und Prozesse steuern sollen.«
»Und, worin besteht das Geheimnis?«
»Zuerst die Früchte zu pflücken, die am niedrigsten hängen.« Ihr Handy klingelte. Sie warf einen Blick aufs Display und drückte das Gespräch weg. »Die Mordfälle genießen nach wie vor Priorität. Gibt es Fortschritte? Ich werde übrigens heute Morgen bei der Pressekonferenz dabei sein.«
»Tatsächlich?«, fragte Grace angenehm überrascht. Die für elf Uhr angesetzte Pressekonferenz würde nach dem zweiten Mordfall ganz schön haarig werden, da konnte er jede Unterstützung gebrauchen.
»Können Sie mich kurz auf den neuesten Stand bringen? Welche Brocken können wir ihnen hinwerfen? Gibt es Verdächtige? Und was ist mit der Leiche von gestern? Haben Sie genügend Leute, oder brauchen Sie zusätzliche Kräfte, Roy?«
Er war ungeheuer erleichtert, dass sie auf sein Ablenkungsmanöver angesprungen war, und fasste die bisherigen Ermittlungen kurz zusammen. Nachdem er berichtet hatte, dass eine Kamera Brian Bishops Bentley auf dem Weg nach Brighton aufgenommen und dieser eine Lebensversicherung auf seine Frau abgeschlossen hatte, hob sie die Hand.
»Sie haben genug zusammen, Roy.«
»Zwei Zeugen haben ihm ein ziemlich gutes Alibi gegeben. Wir haben mit seinem Finanzberater gesprochen, mit dem er zu Abend gegessen hat, doch der zeitliche Ablauf passt einfach nicht. Falls er die Wahrheit sagt, kann Bishop unmöglich um 23.47 Uhr diese Kamera passiert haben. Die zweite Person ist ein gewisser Oliver Dowler, der Portier in Bishops Londoner Wohnhaus, der bestätigt, dass er Bishop am Freitagmorgen um halb sieben geholfen hat, die Golfausrüstung ins Auto zu laden.«
Vosper schwieg einen Moment, um die Neuigkeiten zu verdauen. »Jetzt stehen wir ganz schön auf dem Schlauch.«
Grace nickte mit grimmiger Miene.
Das Telefon klingelte. Sie hob entschuldigend den Finger und nahm ab.
Kurz darauf meldete sich sein Handy. Er stand auf und trat beiseite, bevor er das Gespräch annahm.
Es war DS Guy Batchelor. »Ich glaube, wir haben hier etwas Wichtiges, Roy. Eben hat mich die Kollegin Sandra Taylor angerufen. Wusstest du, dass Brian Bishop vorbestraft ist?«
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P AUL PACKER SASS AN EINEM TISCH vor der Ha!Ha!-Bar an der Pavilion Parade unmittelbar vor dem Eingangstor zum Royal Pavilion, trank einen Caffè latte und ließ die Welt an sich vorüberziehen. Er lächelte zufrieden. Halb elf an einem warmen, sonnigen Montagmorgen im August – da gab es schlechtere Orte zum Arbeiten! Für die Kellnerinnen und die Passanten sah das allerdings anders aus. Für sie war er ein Mann Mitte zwanzig mit rasiertem Kopf und Ziegenbärtchen, der ein formloses graues T-Shirt trug und etwas in einem Heft notierte. Vermutlich einer der zahlreichen Studenten, die den ganzen Tag in den Cafés hockten.
Doch ihm entging nichts. Er registrierte jedes einzelne Gesicht.
Menschen in Businesskleidung, mit Aktentaschen oder Laptops, die zu irgendwelchen Meetings hasteten oder sich auf dem Weg zur Arbeit
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