Nichts als Knochen
Stapel Handtücher, den die beiden mitgebracht hatten.
»Bruder Giordano, machen Sie die Handtücher nass und wickeln Sie ihm die ausgewrungenen Tücher um Arme und Beine. Bruder Valentin, haben Sie ein fiebersenkendes Mittel?«
Der Mönch nickte und hielt ein kleines Fläschchen in die Höhe.
»Gut! Flößen Sie es ihm vorsichtig ein. Ich werde derweil seine Temperatur messen.«
Ungeduldig wartete Krishna, bis das Piepsen des Fieberthermometers das Ende des Messvorgangs anzeigte. Als es so weit war, schnappte er sich das Thermometer und sah ungläubig auf die Skala.
»Und?«, fragte Bruder Valentin hoffnungsvoll, »wie hoch ist die Temperatur?«
Krishna räusperte sich und erwiderte dann leise mit trockenem Mund: »Zweiundvierzig Komma drei.«
»Aber … aber kann das denn stimmen? Gibt es überhaupt so hohes Fieber?«
»Ja. Man hat sogar schon noch höhere Temperaturen gemessen, kurz bevor die Patienten gestorben sind.« Krishnas Herz hämmerte, aber äußerlich war er vollkommen ruhig und überlegt. »Wir haben nicht mehr viel Zeit! Bruder Valentin, verständigen Sie sofort einen Notarzt! Schnell!«
Während Bruder Valentin davoneilte, nahm Krishna noch ein paar Handtücher und machte sie nass. Ungeduldig schob er den sichtlich verstörten Bruder Giordano aus dem Weg und schob Bruder Andreas die nassen Tücher unter die Achseln und an die Leisten. Dann begann er, die anderen Handtücher noch einmal zu erneuern. Er fluchte leise, als er bemerkte, wie warm sie schon wieder waren.
»Kann ich irgendwie helfen?«, flüsterte Bruder Giordano mit versagender Stimme.
»Beten Sie, Bruder, beten Sie!«
Als kurz darauf der schnaufende Bruder Valentin zurückkam, beugte Krishna sich gerade über den Kranken und horchte ihm mit dem Stethoskop die Brust ab.
»Der Notarzt ist verständigt. In ein paar Minuten müsste er hier sein.«
Krishna, der mit konzentriertem Gesichtsausdruck lauschte, brachte den Mönch mit einer Geste zum Schweigen. Dann schloss er die Augen und schluckte schwer.
»Ich fürchte, das wird zu spät sein. Er ist tot«, flüsterte er.
»Was? Aber das kann doch nicht sein!«
Bruder Valentin stürzte herbei und beugte sich über seinen Mitbruder. Krishna legte das Stethoskop beiseite und schob den Mönch resolut zur Seite. Dann begann er verbissen mit Wiederbelebungsmaßnahmen, obwohl er insgeheim bereits wusste, dass es zwecklos war.
Als der Notarzt kam und ihn ablöste, wandte er sich wie betäubt zur Tür und ging hinaus. Auf dem Gang saß Bruder Giordano mit tränenüberströmtem Gesicht auf dem Boden und blickte ihn hoffnungsvoll an. Langsam schüttelte Krishna den Kopf und ging zurück in seine Zelle.
Als Rebecca am Dienstagmorgen spät das Büro betrat, saß als Einzige Christina an ihrem Schreibtisch und hämmerte in die Tastatur.
»Morgen«, grüßte Rebecca und ging als Erstes zur Kaffeemaschine, um sich eine Tasse einzugießen.
»Morgen«, erwiderte Christina, »bring mir doch bitte eine Tasse mit.«
Rebecca nickte, goss einen zweiten Becher voll und ging hinüber zum Schreibtisch.
»Wo ist eigentlich der Rest der Mannschaft?«, wollte Christina wissen. »Ich hab heute Morgen noch keinen Menschen gesehen.«
»Martin und Knut sind nach Maria Laach gefahren, um noch mal diesen Bruder Andreas zu verhören, Sven beschattet Jan Zander, Thomas hat heute Nacht die Beschattung übernommen und schläft jetzt noch ein paar Stunden, und Torsten ist von Karsten wieder abgezogen worden. In Wollgartens Team gibt es einen neuen Fall. Da hat er Torsten wieder zurückbeordert, und Martin wird wohl auch nicht mehr lange bei uns bleiben können. Aber das hat er dir ja sicher längst erzählt.«
»Nein, ich hab ihn in den letzten Tagen kaum gesehen.«
»Ach!« Rebecca zog überrascht die Brauen nach oben. »Wie kommt's? Habt ihr Krach?«
»Nö, aber ich glaub, er hat 'ne neue Flamme.«
»Tut mir Leid«, entgegnete Rebecca leise, »ich dachte, diesmal wird das was mit euch beiden.«
»Sieht nicht so aus.« Christina zuckte leichthin mit den Schultern.
»Und du? Wie geht's dir?«, fragte Rebecca vorsichtig.
»Ach, du kennst mich doch. Ich bin wie ein Schmetterling. Wenn die eine Blüte gerade besetzt ist, flieg ich halt zur nächsten. Andere Mütter haben schließlich auch noch hübsche Söhne.«
»Stimmt, aber ich dachte, mit Martin wär's dir ernst.«
»Tja, war's auch mal. Aber irgendwie scheine ich zu lange auf ihn gewartet zu haben. Jetzt, wo wir fast zusammen waren, kommt er mir
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