Nichts als Knochen
»… zwanzig Euro?«
Enttäuscht schob Bruno die Unterlippe vor.
»Dafür sag ich Ihnen dasselbe wie der Gerhard.«
»Okay« Rebecca seufzte und zog einen weiteren Schein heraus, »was fällt Ihnen denn bei dreißig Euro ein? Aber Vorsicht, danach bin ich pleite, das ist also mein letztes Angebot.«
Brunos Blick glitt zwischen Rebeccas Hand und ihrem Gesicht hin und her. Schließlich schnappte er sich das Geld und ließ es in der Tasche verschwinden.
»Er hat ihn im Dom getroffen!«
»Im Dom? Um diese Zeit? Es war doch schon spät am Abend.«
»Hat er jedenfalls erzählt. Er wollte eigentlich im Dom übernachten, aber dann war da dieser Mönch, der ihn gestört hat, und deshalb ist er wieder abgehauen.«
»Und hat er sonst noch was gesagt über den Mönch?«
Paul nickte.
»Er hat gesagt, dass der rumspioniert hat, und dass noch ein Priester mit dabei war. Das ist alles.«
Rebecca erhob sich und nickte grüßend.
»Danke, Paul.«
»Keine Ursache. Solange der Preis stimmt.«
»Nun, junge Dame, was kann ich für Sie tun?«
Pater Herlinger sah Rebecca freundlich an. Sie lächelte, zog ihren Dienstausweis heraus und stellte sich vor.
»Anfang des Monats hat ein Obdachloser beobachtet, wie ein Mönch und ein Priester zusammen abends im Dom waren, und zwar nachdem die Eingangstüren geschlossen werden. Können Sie mir sagen, wer das gewesen sein könnte?«
»Nun, da kommen mehrere in Frage. Aber warten Sie mal …« Pater Herlinger legte einen Zeigefinger an die Nase und runzelte die Stirn. »Anfang April, sagen Sie? Da war doch dieser junge Benediktinermönch aus Italien hier.«
»Aus Italien«, echote Rebecca enttäuscht.
»Ja, er war sehr interessiert an den Stoffen aus dem Dreikönigenschrein und hat deshalb extra einen Abstecher nach Köln gemacht, bevor er weiter nach Maria Laach reiste. Wie hieß er doch gleich …?«
Rebecca war wieder hellwach und aufmerksam.
»Maria Laach? Was wollte er denn da?«
»Studien betreiben«, erklärte Pater Herlinger viel sagend.
»Verstehe. Genauer wissen Sie es nicht?«
»Bedaure.« Der Pater breitete die Arme aus. »Er hatte jedenfalls vor, ein Weilchen dort zu bleiben. Giordano! Das war sein Name. Bruder Giordano! Er hatte ein Empfehlungsschreiben von meinem alten Studienkollegen Prälat Schiavo aus Rom dabei. Was ist mit dem jungen Bruder? Irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein, nein«, wiegelte Rebecca ab, »möglicherweise ist er ein Zeuge. Ich bedanke mich bei Ihnen, Pater Herlinger. Es könnte sein, dass Sie uns ein kleines Stück weitergebracht haben.«
»Irgendwie scheinen hier alle Wege nach Maria Laach und nicht nach Rom zu führen. Ich zerbreche mir schon die ganze Zeit den Kopf, ob die beiden Fälle irgendwie zusammenhängen könnten.«
Rebecca starrte Thomas an, der verkehrt herum auf seinem Schreibtischstuhl saß und die Arme auf die Rückenlehne gestützt hatte.
»Vielleicht gibt es ja irgendeine Verbindung zwischen diesem Bruder Giordano und Bruder Andreas. Vielleicht haben die beiden ja ein Geheimnis geteilt, das so dunkel war, dass zwei Menschen dafür sterben mussten«, schlug er vor. »Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Mönch in einen Mord verwickelt ist.«
»Alles schon da gewesen«, stellte Rebecca nüchtern fest. »Vielleicht war die Beziehung zwischen Bruder Andreas und seiner Schwester ja auch gar nicht so eng, wie er behauptet«, spekulierte Rebecca, »möglicherweise gibt es einen tief greifenden Familienstreit.«
»Oder aber die Beziehung zwischen den beiden war noch viel enger, als er zugibt.« Thomas seufzte. »Möglich ist 'ne Menge.«
»Ja, auf jeden Fall sollten wir uns Bruder Andreas noch mal vornehmen. Kann sein, dass er uns noch einiges zu erzählen hat. Und außerdem sollte man sich mal unauffällig um diesen Bruder Giordano kümmern, falls er noch im Kloster ist. Du kannst morgen früh noch mal mit Martin hinfahren.«
»Nee, du! Ich hab heute Nachtdienst bei der Beschattung von Jan Zander. Morgen früh werde ich mich erst mal ein paar Stunden hinhauen.«
»Okay, dann soll Martin halt Knut mitnehmen. Gibt es eigentlich mittlerweile Neuigkeiten in Bezug auf die Beschattung?«
Thomas schüttelte den Kopf.
»Nichts, er benimmt sich wie ein Chorknabe, macht nur Sachen, die absolut erlaubt sind. Die anderen hatten den Eindruck, dass er von der Beschattung weiß.«
»Woher soll er das wissen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ist ihm Sven im Karnevalskostüm gefolgt, oder vielleicht ist er auch einfach
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