Nichts als Knochen
nicht auf den Kopf gefallen. Ich hoffe, heute Nacht habe ich mehr Glück.«
Krishna stampfte neben Bruder Agricola über den gepflasterten Hof des Klosters und fühlte, wie der Regen in kleinen Bächen an den Innenwänden seiner Gummistiefel herunterlief und wie das Wasser, dass sich am Boden sammelte, langsam seine wollenen Socken aufweichte. Bruder Agricola hatte darauf bestanden, dass sie nach der Komplet noch einmal in den Stall gingen.
»Amalie müsste die Nächste sein, aber einige der anderen Mädchen dürften auch bald so weit sein«, hatte er erklärt, und Krishna begann sich zu fragen, warum wohl seine Anwesenheit bei der Geburt eines Kalbes unbedingt erforderlich sein sollte.
Als sie den Stall betraten, lagen leichte Dampfschwaden in der Luft, die von den warmen Leibern der mächtigen Tiere aufzusteigen schienen. Ein lautes Muhen aus dem hinteren Teil des Stalls ließ Bruder Agricola aufmerken. Raschen Schrittes eilten sie den Gang entlang, bis sie am Ende die Boxen erreichten, wo die hochträchtigen Tiere untergebracht waren. Amalie lag auf dem Stroh und drehte den großen Kopf zu ihnen, als sie ankamen. Dann ließ sie wieder ein lautes Muhen hören und sah Bruder Agricola anklagend an.
»Ruhig, ruhig, mein tapferes Mädchen.« Der kräftige Mönch, der Krishna immer an einen ehemaligen Landwirtschaftsminister erinnerte, betrat die Box und ging um die Kuh herum.
»Es ist so weit«, rief er begeistert, »die Nase und die Vorderhufe sind schon zu sehen. Kommen Sie rein und helfen Sie mir!«
Krishna sah links und rechts über seine Schulter und dann wieder den Mönch an.
»Wer? Ich?«, fragte er dann und hoffte, dass doch noch von irgendwoher ein Retter nahen möge.
»Natürlich Sie, oder sehen Sie hier sonst noch jemanden? Und bringen Sie das Seil mit, das da vorne an der Wand hängt.«
Einige Minuten später stand Krishna schwitzend und keuchend in der Box. Ein Ende des Seils war um die Vorderhufe des Kalbs gebunden, das andere Ende hatte er um Schulter und Hüfte geschlungen und hielt es mit beiden Händen gepackt. Er stemmte die Füße gegen den von Stroh bedeckten Boden und zog mit aller Kraft. Sein ganzer Körper war angespannt, jeder Muskel schmerzte, und der Schweiß lief ihm in Strömen über Gesicht und Rücken. Bruder Agricola saß neben Amalies Kopf im Stroh, tätschelte beruhigend ihren Hals und gab gebellte Anweisungen nach hinten.
»Nicht nachlassen, sonst rutscht es zurück! Weiterziehen! Weiter! Sie sind doch ein junger, kräftiger Mann!«
»Ich bin siebenunddreißig und so eine Knochenarbeit nicht gewöhnt«, presste Krishna zwischen den Zähnen hervor, wobei seine Lungen ein pfeifendes Geräusch von sich gaben.
»Ja, ja«, lachte Bruder Agricola und legte dabei sein ganzes Gesicht in Falten, »die Jugend von heute, können alle nicht mehr richtig arbeiten. Ora et labora! Weiterziehen jetzt! Wir müssen über die Schultern hinwegkommen, dann haben wir das Schlimmste hinter uns!«
»Wir?«, wollte Krishna fragen, doch es reichte nur zu einem Flüstern zwischen zwei keuchenden Atemzügen. Er packte das Seil eine Handbreit weiter vorne, schloss die Augen und stemmte sich mit all seiner verbleibenden Kraft gegen den Zug des Seils. Seine Muskeln zitterten, und die Sehnen an seinen Oberarmen waren zum Zerreißen gespannt. Plötzlich spürte er einen Ruck, das Seil gab nach, und er stürzte rücklings auf seinen Hintern ins Stroh. Keuchend blieb er einige Sekunden liegen. Dann richtete er sich auf, das Seil immer noch zwischen den Händen, und sah zu, wie der Mönch mit zwei Händen voll Stroh das neugeborene Kalb trocken rieb.
»Ist er nicht ein Prachtbursche?«, rief er begeistert.
Krishna nickte und kroch auf den Knien näher heran, um sein Werk zu begutachten.
»Ist es nicht wunderbar, was der Herr in seiner Güte und Weisheit hier wieder vollbracht hat?« Bruder Agricola strich dem Kalb über die noch feuchte Stirn und lächelte Krishna zu.
Müde betrachtete dieser das Neugeborene und entgegnete verdrossen: »Ich bin mir nicht sicher, ob Gott einen nennenswerten Anteil zu der Geburt dieses Kalbs beigetragen hat.«
Der Mönch warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu.
»Ja, glauben Sie denn nicht an Gott und die Schöpfungsgeschichte?«
»Ich glaube … ich bin Atheist.«
»Auch gut, dann zählen Sie also zu den Schäfchen, die noch zurück zur Herde geführt werden müssen«, entgegnete Bruder Agricola pragmatisch und erhob sich.
»Um ehrlich zu sein, lege ich keinen
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