Nichts als Knochen
plötzlich doch nicht mehr wie mein Traummann vor. Jedenfalls kann ich's verschmerzen, wenn ich ihn nicht kriege. Such is life!«
Rebecca lachte.
»Christina, Christina, du wirst dich niemals ändern. Aber irgendwie beneide ich dich für deinen unerschütterlichen Optimismus.«
Die Tür flog auf, und Lebowsky kam hereingestürmt und baute sich vor Christinas Schreibtisch auf. Eine Wolke von kaltem Tabakqualm umgab ihn und erfüllte sofort die nähere Umgebung mit ihrem Gestank.
»Das haben Sie ja wirklich hervorragend hinbekommen!«, schrie er Christina an.
Sie sah verständnislos zu ihm auf und schüttelte den Kopf.
»Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon Sie reden.«
»Wovon ich rede? Ich rede von Mehmet! Falls Sie sich an ihn erinnern!«
»Was soll der Mist?«, raunzte Christina ungehalten. »Natürlich erinnere ich mich an ihn!«
»Dann erinnern Sie sich ja vielleicht auch daran, was Sie Blödes gemacht haben, als Sie sich am Sonntagabend mit ihm getroffen haben. Sind Sie da in Pumps und Kostümchen aufgetaucht, oder haben Sie ihm Ihre Polizeimarke als Erkennungszeichen hingehalten?«
»Nichts dergleichen hab ich gemacht!« Christina war aufgestanden und stand Lebowsky, nur durch ihren Schreibtisch getrennt, gegenüber. »Könnten Sie mir jetzt wohl endlich mal sagen, was passiert ist?«
»Sicher, das kann ich.« Lebowsky beugte sich vor und musterte sie aus nächster Nähe. »Mehmet hat jetzt ein Loch in der Schädeldecke, das ist passiert! Er ist aufgeflogen, dank Ihrer großartigen Unterstützung!«
»Hey, hey, hey!« Rebecca war schnell zu den beiden herübergekommen und legte Lebowsky eine Hand auf den Arm. »Seien Sie vorsichtig mit Ihren Behauptungen, bevor Sie meine Mitarbeiterin beschuldigen, Herr Lebowsky! Und jetzt erklären Sie bitte mal genau, was passiert ist.«
Lebowsky schob Rebeccas Hand beiseite und wandte sich ihr zu, um zu antworten, als ein Geräusch aus Christinas Richtung beide innehalten ließ. Christina war auf ihren Stuhl zurückgesackt und hatte die Augen aufgerissen.
»Was?«, formten ihre Lippen, doch kein Laut kam aus ihrem Mund. Stattdessen schluckte sie immer wieder angestrengt und geräuschvoll, als ob sie einen Riesenkloß im Hals habe, der sich durch nichts von der Stelle bewegen ließ.
»Was ist passiert«, flüsterte sie schließlich mühsam und sah in die bestürzten Gesichter der beiden anderen.
Lebowsky räusperte sich, befeuchtete die Lippen mit der Zunge und begann zu berichten.
»Sie haben ihn letzte Nacht gegen zwei Uhr fertig gemacht, am Aachener Weiher. War wohl so 'ne Art Hinrichtung. Kopfschuss. Danach ist er ins Wasser gestürzt oder gestoßen worden. Ein Pärchen war noch in der Grünanlage hinter dem Weiher unterwegs und hat das Wasser platschen gehört. Als sie näher kamen, konnten sie zwei Männer erkennen, die Richtung Richard-Wagner-Straße davonliefen. Als das Pärchen zum Weiher kam, sahen sie Mehmet bäuchlings auf dem Wasser treiben. Sie stürzten sich rein, zogen ihn ans Ufer und verständigten den Notarzt. Das hat ihm wahrscheinlich das Leben gerettet.«
Christina, die während der ganzen Zeit auf ihren Schreibtisch gestarrt hatte, hob langsam den Blick und wisperte: »Er ist nicht tot?«
Lebowsky schüttelte den Kopf.
»Nein, er ist im Dreifaltigkeits-Krankenhaus, aber er liegt im Koma.«
Christina sprang auf wie von der Tarantel gestochen, riss ihre Jacke von der Garderobe und stürmte hinaus.
»Wo wollen Sie denn hin?«, brüllte Lebowsky ihr hinterher. »Sie können da nicht rein. Er steht unter Bewachung und ist auch gar nicht ansprechbar. Wie gesagt: Er liegt im Koma!«
Doch Christina konnte ihn längst nicht mehr hören.
»Sag das noch mal.«
Rebecca starrte Martin entgeistert an.
»Bruder Andreas ist letzte Nacht gestorben«, wiederholte Martin.
Rebecca klappte ihren offen stehenden Mund wieder zu und sah hinüber zu Knut, um in seinem Gesicht die Anzeichen für einen schlechten Gag zu entdecken. Doch Knuts Blick hing mit ausdrucksloser Verbissenheit an dem Kuli in seiner Hand, den er immer wieder auf den Schreibtisch klopfte.
»Woran ist er gestorben?«, fragte sie schließlich.
»Lungenentzündung, wenn ich die ziemlich verwirrenden Ausführungen des Abtes richtig verstanden habe. Das hat jedenfalls ein Arzt diagnostiziert, der gerade im Kloster zu Gast ist.«
Rebeccas Blick fror ein, und es entstand eine kleine unangenehme Pause, in die Thomas mit einem lautstarken »Morgen!« hineinplatzte.
»Warum guckt
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