Nichts als Knochen
Obduktion?«
Rebecca schüttelte den Kopf.
»Nein, aber bei manchen Dingen ist es immer wie das erste Mal.«
Der Koblenzer Kollege nickte ernst, während er errötete, und wandte sich dann rasch wieder der Leiche des jungen Mönchs zu.
»Hier sieht man schon deutlich die krankhafte Veränderung der Lunge«, erklärte Rudolf gerade und wies auf das Lungengewebe, das unter der Öffnung des Brustkorbs sichtbar wurde.
Mit einem schnellen Schnitt entnahm er eine Gewebeprobe, platzierte sie zwischen zwei Objektträger und ging zu einem Mikroskop, das auf einem Tisch neben der Tür stand. Es dauerte einige Sekunden, bis er die richtige Vergrößerung und Schärfe eingestellt hatte. Mit zusammengekniffenen Augen konzentrierte er sich auf die Untersuchung des Gewebes. Rebecca, die ihm gefolgt war, stand ungeduldig neben ihm und wartete auf sein Urteil.
»Da haben wir ihn ja«, sagte Rudolf schließlich. »Ganz eindeutig Sporen des Aspergillus Flavus, und zwar in sehr hoher Konzentration. Damit haben wir wohl den Verantwortlichen für seinen Tod gefunden. Wie ich schon sagte, bei Personen, deren Lungen vorgeschädigt sind, können die Sporen lebensgefährlich wirken.«
»Ich hab's gewusst!«
Rebeccas Gesicht nahm kurz einen triumphierenden Ausdruck an.
»Wenn du in einem Kloster nach dem Pilz suchen müsstest, wo würdest du anfangen?«
Rudolf legte die Stirn in Falten und sah sie an.
»Na ja, wie ich dir am Telefon schon erklärt habe, der Pilz kommt relativ häufig vor. Immer da, wo organische Zersetzungsvorgänge ablaufen, ist er zu finden. Das könnte also in der Blumenerde der Klostergärtnerei sein, oder bei verdorbenen Lebensmitteln in der Küche oder Speisekammer, oder natürlich in Gräbern wie bei Tutanchamun.«
»Gräber«, wiederholte Rebecca nachdenklich, »also zum Beispiel in den Gräbern auf dem Friedhof des Klosters.«
»Möglich wär's«, stimmte Rudolf zu.
»Sie haben also tatsächlich Recht behalten.«
Karsten lächelte Rebecca an, die ihm am Schreibtisch gegenübersaß, und in seiner Stimme schwang ein Anflug von Stolz mit.
Rebecca nickte eifrig. »Ja, Bruder Andreas ist an einer allergischen Reaktion gestorben, die durch die Sporen dieses Pilzes hervorgerufen wurde. Und Andrea Walterscheidt hatte die gleichen Sporen in nicht unerheblicher Menge in ihren Lungen, woraus ich schließe, dass die beiden mit irgendetwas in Berührung gekommen sind, das große Mengen dieser Pilzsporen enthielt. Und dieses Etwas müssen wir finden!«
Karsten unterbrach ihren Redefluss mit einer beschwichtigenden Handbewegung.
»Langsam, langsam, Rebecca. Wo wollen Sie denn danach suchen?«
»Na, im Kloster!«, entgegnete sie ungeduldig. »Wo denn sonst?«
»Nun, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann ist dieser Pilz doch gar nicht so selten. Die beiden könnten also überall damit in Berührung gekommen sein.«
»Richtig, aber ich gehe davon aus, dass es dieselbe Quelle war, mit der beide in Kontakt gekommen sind, allein schon wegen der ungewöhnlich hohen Konzentration der Sporen. Aber Bruder Andreas hat das Kloster und seine unmittelbare Umgebung schon seit Wochen nicht mehr verlassen, also muss er sich dort angesteckt haben. Und Andrea Walterscheidt hat ihn unmittelbar vor ihrem Tod im Kloster besucht. Da liegt es doch nahe, dass sich beide bei diesem Besuch mit den Pilzsporen infiziert haben. Also muss das, was wir suchen, dort sein.«
»Und wonach genau suchen wir?« Karstens Stimme hatte wieder diesen überheblichen Tonfall angenommen, den Rebecca so hasste. Resigniert ließ sie sich in ihrem Stuhl zurückfallen und sah ihn schulterzuckend an.
»Das müssen wir noch herausfinden. Aber ich denke, wir sollten uns zunächst einmal auf die Gräber konzentrieren.«
»Gräber!« Karsten klang begeistert. »Na, davon sollten Sie dort ein paar finden. Und wen wollen Sie mit der Suche beauftragen?«
»Tja, da ergibt sich ein kleines Problem. Eigentlich hatte ich vor, einen meiner Mitarbeiter inkognito ins Kloster einzuschleusen. Leider sind aber alle meine männlichen Mitarbeiter in den letzten beiden Wochen schon mal da gewesen und als Kripobeamte bekannt. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht Torsten noch einmal für diese Sache zur Verfügung stellen.«
»Ausgeschlossen«, lehnte Karsten kategorisch ab, »Torsten ist voll in den neuen Fall bei seiner eigenen Truppe eingebunden. Ich kann ihn nicht wieder abziehen. Und auch in den anderen Gruppen haben wir zurzeit keine freien Kapazitäten. Sie
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