Nichts bleibt verborgen
ebenso fluffigen wie knusprigen, mehrere Zentimeter dicken Wunderwerke der Pizzakette Peppes dar, und von all diesen Köstlichkeiten vor allem die American Highway No 18 mit hausgemachten Fleischklößchen, gegrillter Paprika und marinierten Champignons. Dazu wurde im Restaurant eine unwiderstehliche weiße und eine süchtig machende rote Soße serviert, von denen man sich so viel auf die Pizza löffeln konnte, bis sämtliche Zutaten darunter verschwunden waren. Da Lukas keiner dieser beiden Soßen unrecht tun wollte, nahm er stets von beiden.
»Sei froh, dass Leif nicht dabei ist, Mama«, sagte Franziska mit vollem Mund. »Sonst wäre das hier doppelt so teuer geworden.«
Der Gedanke an ihren unersättlichen, egoistischen und kriminellen Exfreund entlockte Claudia ein gequältes Lächeln. »Ach, Franzi, bitte nenn diesen Namen nicht mehr. Ihr könnt euch sicher sein, dass ich von Männerbekanntschaften fürs Erste genug habe.«
»Eine weise Entscheidung«, befand Lukas, während er seine dampfende Pizza in vier gleiche Teile schnitt. »Nur schade, dass wir die Hütte von dieser Knalltüte nicht mehr benutzen können. Die war nämlich gar nicht so übel.«
»Das war nicht seine Hütte, sondern die eines Freundes«, stellte Franziska klar. »Sag mal, hast du das immer noch nicht kapiert?«
»Anscheinend hast du nicht kapiert, dass du heute noch durch den Wald laufen würdest, wenn Leif nicht gewesen wäre«, gab Lukas zurück.
»Vielleicht sollten wir dieses Thema jetzt ruhen lassen«, schaltete sich Ohlsen gutmütig ein. »Außerdem braucht hier keiner auf die Preise zu gucken. Das Polizeipräsidium Oslo übernimmt natürlich sämtliche Kosten.«
Alle schauten ihn überrascht an.
»Wir wollen uns ja nicht nachsagen lassen, dass wir Entführungsopfer und ihre traumatisierten Angehörigen später im Regen stehen lassen«, erklärte er augenzwinkernd. »Namhafte Psychologen empfehlen in solchen Fällen die regelmäßige Zufuhr von Pizza und Cola.«
»Du meinst, das ist hier so ’ne Art Familientherapie?«, fragte Alexander.
»Absolut, obwohl für Therapiesitzungen eigentlich deine Mutter zuständig ist.«
Claudia, die sich inzwischen zu den engsten Freundinnen von Katja Ohlsen zählte, warf dem Kommissar einen dankbaren Blick zu. »Katja scheint auf Sizilien ja eine großartige Zeit zu haben«, warf sie ein. »Erst gestern hat sie mir ein paar aktuelle Fotos von ihrer Fortbildung geschickt, aber die kennt ihr ja bestimmt schon.«
»Lass mal sehen«, bat Alexander.
Claudia zog ihr iPhone aus der Tasche, öffnete WhatsApp und scrollte nach unten. Dann schob sie das flache Gerät quer über den Tisch.
Ohlsen junior und senior betrachteten neugierig das Display, auf dem sich untereinander drei kleine Fotos aufgebaut hatten. Alexander klickte auf Anzeigen . Auf dem ersten Bild trug seine Mutter einen gestreiften Bikini, den er noch nie gesehen hatte. Sie stand bis zu den Hüften in der Brandung und streckte strahlend beide Arme in die Luft. Unter dem Bild stand: Hier ist immer noch Badesaison .
Auf dem zweiten Foto waren die antiken Ruinen eines Amphitheaters zu erkennen, auf dessen Stufen vereinzelte Menschen saßen. Manchem von ihnen baumelte ein Fotoapparat um den Hals, andere hielten ein Eis in der Hand. Auf den Spuren der alten Griechen mit Enzo, Giovanni und Maria.
Aufnahme Nummer drei zeigte Katja Ohlsen an einem reich gedeckten Esstisch inmitten ausgelassener Menschen, bei denen es sich vermutlich um die anderen Teilnehmer der Fortbildung handelte. Die festliche Tafel stand augenscheinlich im Freien, denn über ihr spannte sich ein seidiger blauer Himmel, im Hintergrund leuchtete das türkisfarbene Meer. Begleitet wurde das Bild von folgendem Text: Die wissen wirklich zu leben, die Italiener. Schade, dass du nicht auch hier bist! Bussi, Katja.
Ohlsen warf unwillkürlich einen mürrischen Blick durch die Fensterscheiben, vor denen dichter Nebel sämtliche Konturen verwischte. Abgesehen von Himmel und Meer hatte er auf dem dritten Foto sogleich etwas wahrgenommen, das ihm aus unerfindlichen Gründen die Laune verhagelte: Es war dieses beseelte, fast euphorische Leuchten in Katjas Augen, das ihm allzu bekannt vorkam. Ohlsen weigerte sich, auch nur die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dieses Leuchten könnte etwas mit dem bärtigen Mann zu ihrer Rechten zu tun haben, der sich bedrohlich nahe zu ihr hinüberlehnte. Und wer waren eigentlich Enzo, Giovanni und Maria?
»Sieh mal einer an«, sagte er mit
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