Nichts bleibt verborgen
auch mit ihnen nicht richtig befreundet zu sein schien. Sie standen einfach beisammen, guckten in die Luft und wechselten ab und zu ein Wort. Als wären sie einzig und allein durch die Tatsache verbunden, dass sie sich zu Tode langweilten.
Was Alexander allerdings am meisten überraschte, war die Tatsache, dass Magnus seit dem Vorfall in der Mensa eine gewisse Sympathie für ihn bekundete. Es war, als hätte ihm sein beherztes Eingreifen Respekt abgenötigt. Und so wurde Alexander die große Ehre zuteil, die Nobelvilla der Granbergs ein zweites Mal besuchen zu dürfen – nun mit offizieller Einladung.
»Hast du heute schon was vor?«, hatte ihn Magnus plötzlich gefragt, als sie nach Schulschluss inmitten einer Traube von Mitschülern aus dem Gebäude schlurften.
»Nein, warum?«
»Dann komm nachher bei mir vorbei.«
Es hatte wie eine Anweisung geklungen. Alexander war so perplex gewesen, dass er Magnus’ coolen Ton nachgemacht und »Geht klar!« geantwortet hatte. Sonst nichts.
Jetzt stand er also erneut vor dem Wappenschild, das sich in den Klauen des Löwen befand, und drückte auf den goldenen Klingelknopf. Während er wartete, dachte er sich, dass der Löwe bei näherer Betrachtung nicht nur gelangweilt, sondern auch ziemlich dämlich aussah. Diesmal gab es kein Hundegebell zur Begrüßung. Als er die steilen Stufen zum Haus emporgestiegen war, nahm ihn zu seiner Verwunderung nicht Magnus, sondern Elin in Empfang. Sie trug einen kurzen Rock, hohe Schuhe und einen eng anliegenden schwarzen Rollkragenpullover. Ihre gelockten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
»Hallo, Alex«, sagte sie mit solcher Natürlichkeit, als wären sie alte Bekannte. Zweiunddreißig strahlend weiße Zähne lächelten ihn an. »Magnus steht noch unter der Dusche.«
»Ach«, entgegnete Alexander und hätte sich für diesen Mangel an Schlagfertigkeit am liebsten in den Hintern gebissen.
Der Geruch im Haus hatte sich verändert. Heute duftete es würzig nach Wald und Tannennadeln, was so gar nicht zum noblen Ambiente passte. Elins Absätze klackten über den Steinboden. Ihr Pferdeschwanz wippte im Takt dazu. Alexander ließ sich von ihr in eines von Magnus Zimmern führen. Zumindest glaubte er, dass es eines seiner Zimmer war. Der Kontrast zur übrigen Einrichtung des Hauses hätte nicht größer sein können. Statt der Glastische und weißen Ledermöbel, die sonst überall zu finden waren, glich Magnus’ Behausung einer finsteren Höhle. Eine schwarze Sitzecke, bestehend aus zwei abgenutzten Cordsofas und einem Sessel, sahen wenig einladend aus. Dazwischen ein niedriger Holz tisch, dessen Platte vollkommen leer war. Von den Wänden glotzten finstere Gestalten auf ihn herab, offenbar irgendwelche Heavy-Metal-Bands, die Alexander nicht kannte. Der Sitzecke gegenüber stand ein schwarzes Lackregal, auf dem sich ein Fernseher, ein PC , mehrere Spielkonsolen und eine offene Kiste mit CD s und Computerspielen befanden. Links von diesem Sammelsurium wölbte sich ein offener Türbogen, der zum nächsten Zimmer führte.
»Fühl dich ganz wie zu Hause«, sagte Elin. »Magnus kommt gleich.« Damit war sie verschwunden.
Alexander drehte eine Runde durch den Raum und wollte gerade einen Blick durch den Türbogen riskieren, als Magnus, aus dem Nebenraum kommend, plötzlich vor ihm stand.
»He!«
»He!«
Sie schlugen in Brusthöhe ihre Hände zusammen und zogen sich kurz aneinander, sodass sich für den Bruchteil einer Sekunde ihre Schultern berührten. Genauer gesagt berührten sich Alexanders Schulter und Magnus’ Oberarm, weil Magnus einen Kopf größer war. Magnus trug eine graue Jogginghose von Abercrombie & Fitch sowie ein ausgefranstes blaues T-Shirt mit dem Vereinslogo der New York Knicks . »Musste mich ein bisschen frisch machen«, erklärte er und fuhr sich durch seine feuchten Locken, die aussahen, als wäre sein Kopf ein Schlangennest. Dann zog er zwei Dosen Red Bull aus den Hosentaschen und stellte sie auf den Tisch.
Wie auf Kommando ließen sie sich auf je eine durchgesessene Couch sinken, zogen die Laschen der Dosen auf und tranken schweigend.
»Wenn du wählen könntest, wer du sein willst, wofür würdest du dich entscheiden?«, fragte Magnus wie aus heiterem Himmel.
Alexander war es inzwischen gewohnt, dass Magnus mir nichts, dir nichts seltsame Dinge von sich gab oder von einem Moment auf den anderen das Thema wechselte. Dennoch fühlte er sich ein bisschen überrumpelt.
»Wie meinst du das,
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