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Nichts bleibt verborgen

Nichts bleibt verborgen

Titel: Nichts bleibt verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Krueger
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der harmlosesten Stimme, die ihm zur Verfügung stand. »Und ich dachte schon, die Ärmste käme aus dem Arbeiten gar nicht heraus.«
    »Ach, wirklich?«, fragte Claudia.
    »Die Fotos, die wir bekommen haben … wie soll ich sagen … die sprachen gewissermaßen eine andere Sprache, nicht wahr, Alex?«
    »Wahrscheinlich wollte sie uns nicht neidisch machen«, mutmaßte Alexander.
    »Was deiner rücksichtsvollen Mutter ganz ausgezeichnet gelungen ist. Das Zimmer in ihrer Pension ist nämlich ein trostloser weißer Raum mit braunen Vorhängen, fünfhundert Kakerlaken und einer durchgelegenen Matratze. Und das Fortbildungszentrum, in dem sie sich angeblich von früh bis spät aufhält, macht auch keinen sehr anheimelnden Eindruck.«
    »Kann man wohl sagen«, ergänzte Alexander und hielt sein Smartphone in die Luft. Darauf war ein baufälliges dreigeschossiges Haus zu erkennen, das mit den ramponierten Nebengebäuden darum zu wetteifern schien, welches wohl als Erstes vor Altersschwäche zusammenbrechen würde.
    »Mensch, da bin ich aber froh, dass ich euch diese Aufnahmen gezeigt habe«, sagte Claudia gedankenschnell. »Nicht, dass ihr euch unnötig Sorgen um sie macht.«
    »Dazu besteht ja Gott sei Dank kein Anlass«, entgegnete Ohlsen mit gespielter Erleichterung.
    ★ ★ ★
    Als sie wenig später aus der behaglichen Wärme der Pizzeria nach draußen traten, legte sich der Nebel wie ein kalter Mantel um ihre Schultern. Die Temperatur schien schlagartig um mehrere Grad gefallen zu sein. Fröstelnd stapften sie an der Kaimauer des ehemaligen Werftgeländes entlang, dessen Backsteinhal len Restaurants, Bars und Geschäfte beherbergten. Hier draußen schien die Welt wie in frostige Watte gepackt. Schemenhafte Gestalten zogen an ihnen vorüber, nur das Schreien der Möwen gellte geisterhaft durch die abendliche Stille.
    Unversehens standen sie vor der Bronzestatue eines Mönchs, der die Hände zum Gebet gefaltet hatte und auf den Fjord hinausblickte. Vor ihm befand sich ein silberner Blütenkelch, in dessen Mitte eine winzige Flamme loderte.
    »Was soll denn das sein?«, fragte Lukas, der es bereits bedauerte, sich auf Kosten des Polizeipräsidiums nicht eine zweite Pizza bestellt zu haben.
    »Das ist ein ewig brennendes Feuer, das an den Weltfrieden gemahnen soll«, erklärte seine Mutter.
    »Diese winzige Funzel?«, wunderte sich Franziska.
    »Ja, dieses alberne kleine Licht am Ende des Kais«, gab ihr Ohlsen recht. »Deshalb klappt’s ja auch nicht mit dem Weltfrieden.«
    Wie aufs Stichwort heulte in diesem Moment eine Sirene los. Es war ein schrilles, unheilvolles Geräusch, dessen Herkunft kaum zu lokalisieren war. Nicht schon wieder, dachte Ohlsen mit einem Anflug von Verzweiflung. Er wusste, was diese Sirene zu bedeuten hatte. Feueralarm.

Kapitel 9
    »Und macht bitte ein fröhliches Gesicht, damit eure Eltern sehen, wie gern ihr auf diese Schule geht.«
    Pflichtschuldiges, lahmes Gelächter. Einar Frydenlund, seines Zeichens Direktor der traditionsreichen Elisenbergschule, rang sich seit Jahren dieselben müden Witze ab. Vor allem, wenn es mal wieder darum ging, die jährlichen Klassenfotos zu schießen, was Hobbyfotograf Frydenlund aus Gründen der Kostenersparnis stets selbst übernahm. Da es draußen bereits empfindlich kalt war und ihm das trübe Novemberlicht für Außenaufnahmen wenig geeignet erschien, wurden die Klassen nacheinander in die Aula gerufen, wo der Direktor mit einem großen Fotoschirm, zahlreichen Scheinwerfern und mehreren Kameras hantierte. Assistiert wurde ihm dabei von Hausmeister Gulliksen, der bei Bedarf zusätzliche Bänke und Stühle herbeischleppte und für die richtige Beleuchtung sorgte.
    Alexander, Lukas, Håkon und Elias nahmen mit größter Selbstverständlichkeit die Mitte der ersten Reihe in Anspruch. Obwohl noch längst nicht alle bereit waren, legten sie sich bereits die Arme um die Schultern und machten ein feierliches Gesicht – wie Fußballer beim Erklingen der Nationalhymne. Daniel, der Sportcrack der Klasse, stellte sich breitbeinig neben Elias und verschränkte seine muskulösen Arme. Erik, der große Schweiger, dessen Vater angeblich im Gefängnis gewesen war, nahm dieselbe Pose ein, was allerdings weniger überzeugend wirkte. Hinter ihnen auf der Bank war ein Gerangel um die besten Plätze entstanden. Schließlich wurden Solveig und Linnea von Mia resolut zur Seite geschoben, was zur Folge hatte, dass Franziska sich plötzlich direkt hinter Alexander wiederfand.

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