Nichts bleibt verborgen
entdeckte er ver schiedene Wörterbücher und Atlanten, historische und medizinische Nachschlagewerke sowie technische Handbücher, eine mehrbändige Kulturgeschichte der Welt, eine zwölfbändige Reihe großer Denker und Erfinder, die Geschichte der skandinavischen Literatur vom Mittelalter bis zur Neuzeit sowie ein monumentales Philosophielexikon, dessen in Leder gebundene Bände gleich mehrere Meter in Anspruch nahmen.
»Und das hat dein Vater alles gelesen?«, fragte Alexander ironisch.
»Sehr witzig. Das Einzige, was mein Vater liest, sind die Börsenkurse und der Sportteil der Zeitung«, antwortete Magnus. »Lass uns mal die Unterlagen da drüben anschauen.« Er ging zu einem Regal an der Schmalseite des Büros, in dem identisch aussehende Aktenordner, die mit Straßennamen und Jahreszahlen beschriftet waren, in Reih und Glied standen. Er zog ein paar von ihnen heraus, trug sie zum Schreibtisch und klappte sie auf.
Alexander las laut: »Mietrückstände … Nebenkostenabrechnung, hm …« Er blätterte weiter. »Reparaturkosten der Hausverwaltung … Das müssen irgendwelche Immobilien von euch sein, ich glaube, die bringen uns nicht weiter.« Er öffnete die nächsten Ordner. Auch hier dasselbe Bild. Magnus klappte sie wieder zu und stellte die Ordner ins Regal zurück.
Inzwischen war Alexander dazu übergegangen, ei nige Aktenschränke aus Metall zu inspizieren. »Hier ist noch mehr Papierkram«, sagte er und zog eine Hängeregistratur heraus. Mit wieselflinken Händen durchforstete er den Inhalt mehrerer gelber Hängemappen.
»Und?«, fragte Magnus, der sich sein Sweatshirt über den Kopf zog und es auf den Boden fallen ließ.
»Frag mich nicht, was das hier für Zeug ist.« Alexander schob die Registratur wieder in den Schrank hinein und ruckelte an der nächsten Schublade, die sich nicht öffnen wollte. »Abgeschlossen«, stellte er fest.
Sie warfen sich einen vielsagenden Blick zu. »Wozu schließt man wohl einen Aktenschrank ab?«, fragte Alexander mit gehobenen Brauen.
»Damit so neugierige Jungs wie wir keine Chance haben, an den Inhalt heranzukommen«, antwortete Magnus.
»Du sagst es. Fragt sich nur, wo der Schlüssel ist.«
Mit zwei schnellen Schritten war Magnus beim Schreibtisch, ließ sich auf den hohen, mit schwarzem Leder bezogenen Drehstuhl plumpsen und zog eine der Schubladen auf, die sich zu beiden Seiten unterhalb der Tischplatte befanden.
Vorsichtig, um kein Chaos anzurichten, das später das Misstrauen seines Vaters wecken konnte, hob er behutsam ein paar Papiere an und ließen sie wieder sinken. Dann schob er einen Locher zur Seite und strich vorsichtig an den glatten Innenseiten der Schublade entlang. Alexander stand hinter ihm und knetete seine Unterlippe, während er alles gespannt beobachtete.
Magnus schüttelte den Kopf und wandte sich der nächsten Schublade zu.
»Kann ich euch irgendwie helfen?« Die Stimme traf sie wie ein Schlag in den Rücken.
Alexander spürte einen Stromstoß durch sich hindurchgehen, der sein Herz einen Schlag aussetzen ließ. Magnus stieß vor Schreck einen dumpfen Schrei aus und knallte die Schublade zu.
Wie von der Tarantel gestochen, fuhren sie herum.
»Aber, aber«, sagte Elin und kam lächelnd auf sie zu. Sie trug eine cremefarbene Wildlederhose und ein enges schwarzes Top. Alexander schoss sofort durch den Kopf, dass sie attraktiver aussah als je zuvor.
»Sag mal, spinnst du, Elin, uns so zu erschrecken?« Magnus war aufgesprungen und fuchtelte verärgert mit den Armen, während sein Kopf knallrot angelaufen war.
»Ach, habe ich euch erschreckt? Das wollte ich nicht.« Sie machte ein betrübtes Gesicht und strich Magnus kurz über seine dunklen Locken, als wäre er ein kleines Kind.
»Mensch, lass das doch!« Er schüttelte unwillig den Kopf.
»Ich wollte nur fragen, ob ich euch eine Erfrischung bringen soll?«, flötete sie mit ihrer hellen Stimme. »Außerdem ist mir langweilig.«
Magnus stöhnte auf. »Wenn dir langweilig ist, dann hol uns ins Gottes Namen eine Erfrischung. Ansonsten wären wir hochzufrieden, wenn du darauf verzichten würdest, uns zu Tode zu erschrecken.«
»Mit Vergnügen!«, entgegnete sie, machte einen kleinen Knicks und spazierte aus dem Zimmer.
Nachdem sich ihr Puls wieder der Normalität nä herte und sie den Schweiß getrocknet hatten, der ihnen aus allen Poren geschossen war, nahmen Magnus und Alexander ihre Suche wieder auf. Sie öffneten eine Schublade nach der anderen, spähten in jeden Winkel und
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