Nichts bleibt verborgen
um sie noch um mich. Der hat sich immer nur für sich selbst interessiert.«
»Für eure Firma doch bestimmt auch, oder?«
»Ja, die Firma«, wiederholte Magnus spöttisch. »Die war immer sein Baby. Wichtiger als alles andere. Obwohl er inzwischen nur noch selten ins Büro geht. Gibt ja auch mehr als genug Leute, die alles für ihn erledigen.«
Alexander musste plötzlich an die Prügelei in der Schule denken. »Was Mathias damals gesagt hat, bevor du ihn verprügelt hast …«, begann er vorsichtig.
»Hm?«
»Dass dein Vater unschuldige Leute ins Gefängnis bringt. Kannst du dir vorstellen, wie er darauf gekommen ist?«
Magnus verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte ins Leere. »Früher, ich war damals noch ziemlich klein, hat es mal einen Prozess um die Firma gegeben. Betrug oder so. Irgendjemand hat sich Geld, das der Firma gehörte, in die eigene Tasche gesteckt. Man hat ihn erwischt und er ist verurteilt worden und im Knast gelandet.«
»Du meinst, es könnte was damit zu tun haben?«
»Keine Ahnung. Das ist schon so lange her. Ich weiß nur, dass sich meine Eltern damals ständig gestritten haben und kurz vor der Scheidung standen. Leider ist nichts draus geworden. Wäre für meine Mutter echt besser gewesen … und für mich auch.«
»Und woher sollte Mathias davon wissen?«, fragte Alexander.
»Eben. Das sind doch alles alte Geschichten, die mit der Gegenwart nichts zu tun haben. Aus und vorbei … warum guckst du mich eigentlich so komisch an?«
»Mein Vater sagt immer, auf Dauer bleibt nichts verborgen«, sinnierte Alexander und kratzte mit dem Löffel den letzten Rest Milchschaum aus der Tasse.
»Schon möglich«, brummte Magnus. »Aber ich hoffe, es dauert nicht zwanzig Jahre, bis er herausfindet, wer den Schuppen abgefackelt hat. Ich war’s nämlich nicht!«
Magnus schien im Laufe ihres Gesprächs seine alte Selbstsicherheit wiedergefunden zu haben. Seine Ge sichtsfarbe hatte sich weitgehend normalisiert, und auch seine kräftigen Hände zitterten nicht mehr, als er die Papierfetzen zusammenschob und in den Aschenbecher beförderte.
»Wolltest du nie wissen, was damals wirklich passiert ist?«, fragte Alexander.
»Ich bin mir nicht so sicher, ob ich’s wissen will«, antwortete Magnus nach längerem Nachdenken. »Das Thema ist bei uns tabu.«
»Hat dein Vater zu Hause eigentlich ein Büro?«
»Klar. Wieso fragst du?«
»Wir könnten ja mal gucken, ob wir dort irgendwelche Anhaltspunkte finden«, sagte Alexander mit unschuldiger Miene.
»Du willst im Büro meines Vaters herumschnüffeln?« Magnus schaute ihn mit einer Mischung aus Unglauben und Belustigung an. »Wenn er uns erwischt, können wir gleich unser Testament machen«, fügte er hinzu. »Außerdem verstehe ich nicht, was mir das bringen soll.«
»Das wird sich ja herausstellen«, entgegnete Alexander. Irgendwie sagt mir meine Nase, dass es da einen Zusammenhang geben könnte.«
»Deine Nase?«
»Genau, meine Nase. Und vielleicht finden wir bei der Gelegenheit ja auch zufällig diesen Brief, der deine Mutter neulich so erschreckt hat.«
Magnus warf Alexander einen langen Blick zu. »Warum willst du das tun?«
Alexander spitzte den Mund und dachte gut nach, doch ihm fiel keine überzeugende Antwort ein. Ihm war ein spontaner Verdacht durch den Kopf geschos sen, viel zu vage, um ihn sogleich auszusprechen. »Wer nicht sucht, kann auch nichts finden«, sagte er schließlich. »Und irgendwo müssen wir ja schließlich anfangen.«
Magnus beugte sich plötzlich weit über den Tisch. »Heißt das, du glaubst mir, dass ich unschuldig bin?« Er warf Alexander einen so glühenden Blick zu, dass dieser schon fürchtete, Magnus würde ihn jeden Moment am Kragen packen.
Alexander rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Ach, Magnus, ich weiß auch nicht, aber irgend wie … ja, doch, ich glaube dir!«
Magnus stieß erleichtert die Luft aus und ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. »Dann bin ich dabei!«
Kapitel 23
Sie hatten sich für den Samstagvormittag entschieden. Am Samstag genoss Magnus’ Mutter ihren Wellness- und Beautytag, der sich bis in den frühen Abend hinziehen würde. Sein Vater war schon in aller Frühe mit ein paar Freunden zur Skihütte der Familie aufgebrochen, die etwa zwei Stunden von Oslo entfernt lag. Und Elin störte nicht im Geringsten.
Sie hatten sich noch einmal kurz über ihre Handys verständigt, ehe Alexander mit der Erklärung, er ginge in die Stadt, gegen elf von zu Hause
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