Nichts bleibt verborgen
sollte er sie wirklich beherzigen und reinen Tisch machen. Sich die Sache ein für alle Mal von der Seele schaffen. Aber was würden die Folgen sein? War er schon alt genug, um ins Gefängnis zu kommen?
Vorgestern war er eine ganze Zeit um ein Polizeirevier herumgeschlichen. War drauf und dran gewesen, einfach hineinzugehen und alles zu gestehen. Aber im letzten Moment hatte er es sich anders überlegt. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Doch wenn er gehofft hatte, sich irgendwie an den Gedanken zu gewöhnen, dass ein Mensch seinetwegen zu Tode gekommen war, so hatte er sich getäuscht. Die Schuldgefühle nahmen nicht ab, sondern fraßen ihm regelrecht ein Loch in den Bauch. Höhlten ihn aus. Außerdem quälte es ihn, was seine Mutter würde durchmachen müssen, wenn er seine Schuld eingestand. Sie hatte es schon schwer genug. Nein, er konnte sich jetzt nicht stellen. Es musste eine andere Lösung geben.
Kapitel 22
Sie trafen sich in der Kaffebrenneriet an der Universitätsgata, wo sie weitgehend ungestört waren. Ihre Mitschüler besuchten normalerweise die Filialen der beliebten Café kette, die näher an der Schule lagen. Magnus bestellte einen Cappuccino. Alexander schloss sich dem an.
Mit einer fahrigen Bewegung riss Magnus ein Tütchen Zucker auf und schüttete fast die Hälfte des Inhalts neben die Tasse. Dann beobachtete er mit angespannter Miene, wie die Zuckerkristalle allmählich im Milchschaum versanken. Er war ungewöhnlich blass um die Nase, und Alexander dachte, dass von seiner hochfahrenden, selbstgerechten Attitüde nicht viel übrig geblieben war. Magnus hatte ihn um dieses Treffen gebeten und natürlich hatte er ihm diese Bitte nicht abgeschlagen. Er konnte sich denken, worum es ging.
»Du musst mir helfen, Alex!«, sagte Magnus mit fast flehentlicher Stimme.
»Wie stellst du dir das vor?«
»Du musst deinen Vater irgendwie davon überzeugen, dass ich mit dem Brand nichts zu tun habe. Außer dir glaubt mir ja sowieso keiner«, fügte Magnus leise hinzu.
»Aber wie soll das gehen? Ich kann doch nicht im Nachhinein behaupten, dass wir die ganze Nacht zusammen vor dem Fernseher gesessen haben und du unmöglich auf dem Sportplatz gewesen sein kannst.«
Magnus schüttelte ratlos den Kopf und begann, eine Papierserviette zu zerrupfen.
Alexander wusste nicht, was er glauben sollte. Magnus tat ihm irgendwie leid. Andererseits hatte er keine Lust, sich von ihm manipulieren zu lassen. Deshalb wechselte er lieber das Thema.
»Und deine Eltern, sind die eigentlich noch da?«
Magnus trank einen Schluck und sah ihn über den Rand seiner dampfenden Tasse hinweg an. »Du meinst, ob die nicht längst wieder nach Spanien abgedampft sind?« Er lachte krampfhaft in sich hinein. »Du scheinst sie ja schon ziemlich gut zu kennen. Wundern würde mich gar nichts mehr.« Er stellte klirrend die Tasse ab und verursachte ein Fußbad auf der Untertasse. »Gibt ja auch eigentlich keinen Grund für sie, noch länger hierzubleiben. Abgesehen von der Tatsache, dass ihr Sohn mit einem Bein im Knast steht.«
Jetzt musste auch Alexander lachen. Doch er hörte sofort damit auf, als er sah, wie viel Mühe es Magnus kostete, nicht die Fassung zu verlieren. Er wirkte wie ein Dampfkessel, der kurz vor der Explosion stand. Auf der Tischplatte häuften sich die kleinen weißen Fetzen.
»Ich wollte nichts gegen deine …«
»Ist schon okay«, unterbrach ihn Magnus und ließ seinen Blick wachsam durch das Café schweifen. Außer ihrem Ecktisch waren nur wenige Plätze besetzt. Es bestand also keine Gefahr, dass ungebetene Zuhörer etwas von ihrem Gespräch aufschnappten. »Meiner Mutter geht’s ziemlich übel mit ihrem Rheuma«, fuhr er nach einer Weile fort. »Die Wärme im Süden tut ihr gut, sagt sie. Aber eigentlich will sie immer nur weg, weil sie es zu Hause nicht aushält.«
»Seit wann hat sie das schon?«, erkundigte sich Alexander.
»Seit ein paar Jahren, aber es wird immer schlimmer. Und im Moment ist sie sowieso ziemlich durch den Wind. Ist ja auch kein Wunder. Erst ist dein Vater zu uns ins Haus gekommen, und dann hat sie auch noch einen Brief gekriegt, über den sie total erschrocken war.«
»Was für einen Brief?«
»Weiß nicht, sie wollte ihn mir nicht zeigen. Aber ich hab genau gesehen, wie ihr beim Lesen die Kinnlade runtergeklappt ist.«
Alexander runzelte die Stirn. »Und dein Vater?«
»Der kümmert sich einen Scheißdreck!«, antwortete Magnus so aggressiv, dass Alexander zusammenzuckte. »Weder
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