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Nichts bleibt verborgen

Nichts bleibt verborgen

Titel: Nichts bleibt verborgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Krueger
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ertasteten die kleinsten Unebenheiten. Als sie schon fast die Flinte ins Korn werfen wollten, spürte Magnus unter seinen Fingern einen flachen, harten Gegenstand, der sich in einem Briefumschlag befand. Er legte das Kuvert auf die Tischplatte und löste mit vorsichtigen Bewegungen die Verschlussklappe. Es war einer dieser selbstklebenden Umschläge, die sich von allein verschlossen, wenn man nicht aufpasste. Im nächsten Moment hielt Magnus einen kleinen silbernen Metallschlüssel in der Hand. »Willst du’s versuchen?«
    Alexander ließ sich den Schlüssel in die offene Hand legen. Er fühlte sich kalt und glatt an.
    Gespannt ging Alexander zum Aktenschrank, steckte den Schlüssel in den Schlitz und drehte ihn einmal herum. Das Schloss leistete nicht den geringsten Widerstand. »Sesam, öffne dich!«, flüsterte er und zog die Lade auf.
    Auch hier handelte es sich um eine Hängeregistratur, deren Mappen am oberen Rand beschriftet waren. Magnus kniete sich neben Alexander und ließ sie durch seine Finger wandern. Hielt inne und pfiff durch die Zähne. Dann hob er nacheinander drei graue Mappen heraus, auf die jemand mit dickem schwarzen Filzstift »Prozess« geschrieben hatte.
    »Nicht erschrecken, nicht erschrecken«, zwitscherte Elin, die offenbar vor der offenen Bürotür stehen geblieben war.
    »Ist schon okay«, rief Magnus.
    Sie kam herein, stellte kommentarlos zwei Flaschen Cola auf den Schreibtisch und tänzelte wieder hinaus.
    »Wir dürfen auf keinen Fall die Reihenfolge der Unterlagen durcheinanderbringen«, mahnte Magnus und zog mit einem Schwung sämtliche Unterlagen der oben liegenden Mappe heraus. Sie überflogen die ersten Seiten, die offenbar zu einem Briefwechsel zwischen Magnus’ Vater und seinem Anwalt gehörten. Doch aus den Einzelheiten wurden sie nicht recht schlau.
    »Ich weiß nicht, ob das was bringt«, sagte Alexander nach einer Weile. »Das sind viel zu viele Papiere. Außerdem ist der Inhalt so kompliziert, dass wir ihn gar nicht auf Anhieb verstehen können.«
    Magnus nickte seufzend.
    »Habt ihr einen Kopierer?«
    »Ja, im Nebenzimmer. Du meinst …?«
    »Klar, wenn wir das ganze Material hier kopieren, dann können wir es uns später in Ruhe ansehen und brauchen nicht ein weiteres Mal im Büro deines Vaters rumzuschnüffeln.«
    »Gute Idee. Hab sowieso ein mulmiges Gefühl. Wenn mein Vater das rauskriegt, sind wir echt am Arsch.«
    ★ ★ ★
    Eine knappe Stunde später war ihr Werk vollbracht. Aus Angst, womöglich einen Papierstau zu verursachen, hatten sie jedes Blatt einzeln auf die Glasplatte gelegt. Erschöpft schob Magnus die letzten Unterlagen wieder an ihren angestammten Platz, als sie aus der Ferne eine helle Stimme vernahmen.
    Alexander stutzte. »Hört sich an wie Elin, aber warum spricht sie mit sich selbst?«
    Magnus brauchte nur eine Sekunde, bis sein inneres Alarmsystem ansprang. »Scheiße!«, stieß er aus.
    »Was ist?«
    »Die spricht absichtlich so laut, weil sie nicht allein ist.«
    Hektisch klemmte er sich die drei Mappen unter den Arm und hastete ins Büro zurück, wo die Lade des Aktenschranks immer noch offen stand. Alexander raffte die Kopien an sich, blieb auf der Schwelle stehen und behielt den Flur im Auge. Elins aufgeregtes Plappern wurde lauter, und jetzt hörte er auch eine zweite, tiefere Stimme, die ganz offenbar von einem Mann stammte. Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich auszumalen, wer dieser Mann war.
    »Beeil dich!«, raunte er Magnus zu. Der wollte in Windeseile die Mappen wieder einhängen, dabei rutschte ihm eine aus der Hand und klatschte auf den Boden. Ein paar Blätter schossen über den Teppich. Er riss sie an sich, zerknüllte sie dabei und stopfte sie zwischen die Pappdeckel zurück. Für Sorgfalt blieb keine Zeit. Irgendwie quetschte er die Mappen in den Schrank hinein, warf die Lade zu und drehte den Schlüssel.
    Alexander fühlte sich hilflos und hellwach zugleich. Seine Blicke flitzten panisch zwischen dem Oval Office und dem langen Flur hin und her, während ihm eine ganze Horde von Ameisen über den Rücken zu krabbeln schien. Irgendwo schlug eine Tür. Er hörte Elins klackende Absätze und ihr perlendes, übertrieben lautes Lachen. Das Trampeln schwerer Schritte. Jeden Moment mussten zwei Personen um die Ecke biegen.
    Magnus warf den Umschlag mit dem Schlüssel in die erstbeste Schublade, klaubte im Laufen sein Sweatshirt vom Boden auf und rannte Alexander, der immer noch auf der Schwelle stand, fast über den Haufen.

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