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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Frühling
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Leverkusen. Allesamt zusammengekauft aus Mainz, Liverpool, Freiburg, Köln, Kaiserslautern, St. Gallen, Aachen, Santiago de Chile, Nürnberg, Basel und Leipzig. Und trainiert von einem Gladbacher!
    Leverkusen ist nur ein Beispiel, auch in den anderen Bundesliga-Clubs wird der größte Teil der Profi-Mannschaft nicht gerade aus dem eigenen Nachwuchs rekrutiert. Weswegen also sollte ich Hardcore-Fan einer Söldnertruppe werden, die heute in dieser Besetzung in jener Stadt spielt und morgen für viele Millionen Euro möglicherweise schon woanders?
    Eine gewisse Begeisterung für »Underdogs«, die es mit einem kleinen Budget weit bringen, kann ich nachvollziehen. Aber Fan eines millionenschweren Imperiums? Dann kann ich statt des Aufklebers »Mein Herz schlägt für Bayern München« auch gleich den Sticker »Ich bin Fan von RWE, Microsoft und Siemens« auf den Arsch meines Autos heften.
    Siemens erinnert mich an eher schwarze Momente in meinem Leben. Wie schon angedeutet, bin ich im handwerklichen und technischen Bereich nicht gerade mit heldenhaften Segnungen geboren worden. Seit ich vor wenigen Jahren erfahren habe, was bei einem Computer der Desktop ist, verwende ich das Wort häufig und gern – in der Hoffnung, das Gegenüber denkt: »Wenn er ›Desktop‹ so souverän verwendet, wird er sich mit der Gesamtmaterie EDV glänzend auskennen.« Tut er aber nicht. Vor kurzem habe ich zum ersten Mal Daten auf einen Speicherstick »gezogen«. War das ein aufregender Moment! Jedes Mal bin ich stolz und froh, wenn es mir fehlerfrei gelungen ist, eine Mail mit Anhang zu versenden. Das kann ich besser als meine sechzigjährige Mutter, immerhin.
    Mein Freund Sebastian nennt das übrigens einen »selbstwertdienlichen Abwärtsvergleich«. Sich also darüber zu freuen, dass man irgendwas einen Funken weniger schlecht kann als andere.
    Und sehr schlecht kann ich natürlich auch Handys bedienen. Deswegen die schwarzen Momente mit Siemens. Kaum wusste ich diese kleinen Technikmonster einigermaßen zu händeln, schon wurde die Produktion eingestellt. Eine monatelange Phase der Umgewöhnung auf Nokia folgte, begleitet von Tränen, resignativen Momenten, Wut und Selbsthass. Und jetzt muss ich dabei zusehen, wie die Deppen in der finnischen Tundra den Smartphone-Trend verschlafen und ebenfalls kurz vor dem Abschmieren stehen. Weh mir!
    Eine ungeahnte Begabung habe ich allerdings: Ich kann sehr gut Fernsehsender programmieren. Das rührt daher, dass ich in meiner Jugend viele Stunden damit verbracht habe, auf meinem »Goldstar«-Fernseher ein viertes Programm zu suchen. Ich hätte mich damals in Stuttgart sogar über den Bayrischen Rundfunk gefreut – und da muss die Not wirklich groß sein. Stattdessen genehmigten die Medienwächter uns Talkesslern Ende der Achtziger den terrestrischen Empfang von Sat.1, ausgestrahlt von einer Frequenz in Glühbirnenstärke. Aber lieber eine Maren Gilzer, die im Schneegestöber Buchstaben umdreht, als gar keine Maren Gilzer.
    Mittlerweile dreht Maren ja keine Buchstaben mehr um, sondern Patienten in der Sachsenklinik – und mittlerweile bin ich auch nicht mehr scharf auf Privatfernsehprogramme. Ich habe kürzlich den ganzen Werbefunk auf die Speicherplätze jenseits der zwanzig verbannt und noch keine Entscheidung in meinem Leben so wenig bereut wie diese. Jede Zoosendung macht mich glücklicher als diese gescripteten pseudo-realen Auseinandersetzungen, die auf den kommerziellen Sendern in Endlosschleife laufen. Auch hier schlägt wieder der selbstwertdienliche Abwärtsvergleich zu: Der Zuschauer soll denken »meine Familie ist zwar schlimm und heruntergekommen, aber Gott sei Dank noch nicht so schlimm und heruntergekommen wie die da gerade im Fernsehen«. Wer nur 50000 Euro Schulden, drei Handyverträge und eine Privatinsolvenz hat, fühlt sich gleich besser, wenn er bei Peter Zwegat eine Familie vorgestellt bekommt, die 120000 Euro Schulden, sieben Handyverträge und schon die dritte Privatinsolvenz hat. Insofern machen die das ganz gut bei den Privatsendern.
    Wie entspannend ist es dagegen, in einem beliebigen dritten Programm einem Erdmännchenrudel beim Balgen zuzusehen. Neulich wurde die Schur von Zwergschafen gezeigt, die mit einer Gänsefamilie in einem Gehege wohnten. Das Geschnatter und Geblöke ist mir tausend mal lieber als der Disput zwischen Cheyenne und ihrer Mutter, die ihr kein Bauchnabelpiercing erlauben will.
    Ein amüsantes Moment haben diese erfundenen Familienstreitereien

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