Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

nicht. Auch das Revival des »Atomkraft – Nein danke«-Stickers macht mich glücklich. Erstens in der Sache, zweitens, weil mich das Design an mein geordnetes Lieblingsjahrzehnt erinnert, und drittens, weil man weiß, dass in derart beklebten Autos keine grundsätzlich schlechten Menschen sitzen können.
    Das Gegenteil der lachenden roten Sonne auf gelbem Grund sind in meinem Weltbild die gekreuzten Säbel der Sylter Sansibar. Mit Menschen, die sich so was aufs Auto kleben, sind meine Gemeinsamkeiten nach Muttersprache und Geschlecht bereits aufgebraucht. Die Säbelchen prangen mit Vorliebe auf Sinnlos-SUVs. Gelenkt werden diese Autos von Männern mit zu-Guttenberg-Frisur, La-Martina-Hemden und Bikkemberg-Schuhen. Über das Hemd mit den albernen Polospieler-Stickereien wird mit Vorliebe ein pastellfarbener Polo-Ralph-Lauren-Strickpulli geworfen, denn auf Sylt wird es abends ja gern frisch.
    Es lässt sich absehen, dass eine Unterhaltung zwischen diesen Menschen und mir schnell zu versanden droht. Wir hören nicht dieselbe Musik, wir bevorzugen nicht dieselben Urlaubsorte, schätzen nicht dieselben Gasthöfe, wir kaufen nicht in denselben Geschäften ein, wir haben keine gemeinsamen Bekannten und wählen vermutlich auch nicht dieselbe Partei. Aber es ist doch schön, all das anhand eines fünf mal drei Zentimeter großen Aufklebers schon im Vorfeld zu wissen.
    Nicht interessiert bin ich – Stichwort Aufkleber – übrigens daran, wie die Kleinkinder im Wagen vor mir heißen. Manche Eltern veranstalten ja ein regelrechtes Bohei, um an so einen Sticker ranzukommen. »Lars an Bord« oder »Marie an Bord« kann ja jeder, das ist Stangenware und in jedem mittelmäßig sortierten Baumarkt zu erhalten. »Priscilla-Joelle-Charmaine an Bord« allerdings erfordert den hohen Aufwand eines Sonderdrucks mit Zusatzkosten – und wer so was auf seine Karre kleben kann, muss es schon richtig doll und mutwillig gewollt haben.
    Früher waren diese Aufkleber ja dafür gedacht, dass der Hintermann aufgrund der leichteren Verletzlichkeit eines kleinen Kindes im Wagen davor langsamer fahren möge. Bei mir sorgen sie dafür, möglichst eng aufzufahren, um auch genau entziffern zu können, mit welcher Scheußlichkeit eines Namens der Trottel vor mir seine Brut lebenslang quälen will.
    Besonders feine Namen versuche ich außerdem während der Fahrt mit dem Handy zu fotografieren. Meistens, während ich in der anderen Hand eine Zigarette habe. Statistisch gesehen erhöht sich damit die Verkehrssicherheit der kleinen Ava-Eleanor-Faith im Auto vor mir also nicht !
    Auch Kuscheltierhorden sind meist nicht dazu geeignet, die Rundumsicht zu vergrößern und das Unfallrisiko zu senken. Besonders rätselhaft ist mir darüberhinaus der Brauch, sich zwei große Stoffwürfel an den Innenspiegel zu hängen. Selbst im allwissenden Internet finden sich nur Hinweise, wo man sie erwerben kann, aber nirgends steht, wofür . Die einzig mögliche Erklärung für mich: Der Besitzer will der Restwelt zeigen, dass er die hässlichen Dinger aus so einem Greifarmgerät auf dem Rummel gezogen hat. Statt meiner Bewunderung für seine Greifarmgerätkünste kann er sich allerdings nur meiner Verachtung sicher sein, in diese idiotische Maschine mal mindestens zwei Euro eingeworfen zu haben.
    Eine weitere seltsame Marotte ist der Lieblingsfußballclub-Aufkleber. Ich schätze, auf fünf Prozent (im Ruhrgebiet eher zehn Prozent) der Autos wird die Liebe zu einem bestimmten Verein kundgetan. Weil ich mich jetzt auf vermintes Gelände begebe, muss ich vorausschicken: Ich bin durchaus Fußball-Fan und habe auch eine Vorliebe für gewisse Equipen. Ich kann aber die bedingungslose Anhängerschaft zu einer bestimmten Mannschaft nicht nachvollziehen. Es ist doch so: In der Bundesliga rotiert sowohl das Trainer-als auch das Spielerkarussell. Wer gestern noch für Hertha gekickt hat, ist morgen bei Schalke, wer jahrelang St. Pauli trainiert hat, geht plötzlich nach Hoffenheim.
    Lassen sie mich den Punkt anhand eines Beispiels illustrieren. Ein beliebiger Verein, nehmen wir Bayer Leverkusen, geht mit einer 3-5-2-Aufstellung in ein Spiel, also drei Abwehrleute, fünf im Mittelfeld, zwei im Sturm (und einer im Tor). Picken wir uns mal ein paar gute Spieler aus der Saison 2010/11 heraus und bestücken die elf Positionen mit Friedrich, Hyypiä, Schwaab, Balitsch, Ballack, Barnetta, Rolfes, Vidal, Kießling, Derdiyok und Adler. Klingende Namen, gute Mannschaft. Aber: Keiner aus