Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
lassen.
Jetzt aber wieder nach Bayern : Um ehrlich zu sein, ist das Gros dieses Freistaats landschaftlich eher eine triste Angelegenheit. Niederbayern wellt sich unendlich vor sich hin, unterbrochen höchstens mal von einem Atomkraftwerk oder einer BMW-Manufaktur. Das Donautal zwischen Neu-Ulm und Passau weist an gefühlten 350 Tagen im Jahr dichte Nebelschwaden auf, weswegen eventuelle landschaftliche Reize nicht beurteilt werden können. In Mittelfranken sieht es so aus wie überall in Deutschland. In Oberfranken ebenfalls, nur in ärmlich. Unterfranken könnte durch seinen Weinanbau auch für Württemberg gehalten werden, und die Oberpfalz ist schon seit jeher das Armenhaus Süddeutschlands.
Trotzdem wird dem Bayernland und seinen Besuchern vorgegaukelt, dass die Alpen quasi überall in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen. Kaum eine Sendung im Bayrischen Fernsehen, in der der Moderator nicht vor einem Bergpanorama auf dem Bluescreen säße – und in Kostüme gewandet wäre, in der Tracht oder Loden nicht zumindest leise anklingen würden. Und selbstredend scheint über diesem Alpenpanorama beständig die Sonne. Ich würde meinen Hut tiefstens ziehen, wenn sich ein BR-Redakteur mal traute, ein Bild der Hochhaussiedlung Nürnberg-Langwasser auf den Hintergrund eines dieser Heile-Welt-Magazine zu projizieren. Und zwar bei ausgemachtem Sauwetter. Motto: Auch das ist Bayern. Will nur keiner sehen.
Ah, Moment, an dieser Stelle noch mal ein winziger Exkurs in die Welt der Sprache. Und zwar, weil ich eben das Wort »beständig« verwendet habe. Ich tippe, es gibt kein Wort im Deutschen, für das es so viele Synonyme gibt wie »immer«. Beständig ist nur eins aus der Großfamilie. Ebenfalls zur Sippe gehören: permanent, ständig, dauernd, dauerhaft, pausenlos, endlos und jederzeit. Zur älteren Generation zählen: stets, allzeit, fortwährend, unaufhörlich und ohne Unterlass. Eine Spur Unbill schwingt bei den Familienmitgliedern »in einer Tour« und »in einem fort« mit. Und mein persönlicher Topstar: Ununterbrochen. Gerade in Momenten der Ungeduld ist es sehr wichtig, dass das Wort so viele Silben wie möglich hat. Durch Betonung jeder einzelnen gelingt es, maximales Missfallen zu signalisieren. »Ihr Sohn stört un-un-ter-bro-chen den Unterricht.« »Obwohl du schon so dick bist, hast du un-un-ter-bro-chen Hunger.« Komisch, wenn ich vor meinem geistigen Auge visualisiere, wer diesen Satz auf diese Art sagen könnte, kommen mir immer nur Frauen in den Sinn. Entschuldigung, die Damen.
Der Hesse hat übrigens noch ein weiteres, ganz herrliches Wort, das er für »immer« verwendet: als. Kein anderer Ausdruck eint dieses nach dem Zweiten Weltkrieg so wahllos zusammengezimmerte Bundesland in einem Maße, wie »als« es tut. Statt permanent den Apfelwein (den es eigentlich nur in Südhessen gibt), den Handkäse (Süd-und südliches Mittelhessen) oder die Ahle Worscht (Nordhessen) als verbindendes Element zu stilisieren, sollte man lieber die Redewendung »als« als typisch Hessisch anerkennen. Denn »als« wird von der Bergstraße über das Rhein-Main-Gebiet, die Wetterau, den Vogelsberg, die Rhön, über Waldhessen, die Schwalm und das Waldecker Land bis nach Kassel unisono verwendet. »Ihr Sohn stört als den Unterricht.« »Obwohl du schon so dick bist, hast du als Hunger.« Klingt doch gleich viel niedlicher. Und kann durch mangelnde Silbenvielzahl auch nicht in diesem bellenden Ton vorgetragen werden.
In diesem Licht erscheint eine Idee des Ministerpräsidenten Georg August Zinn gleich zweifach brillant: Um dem Land Hessen ein größeres Gefühl der Zusammengehörigkeit zu geben, schuf er Anfang der sechziger Jahre ein Landesfest namens Hessentag. Erste Brillanz. Die Premiere hatte dieses Fest 1961 in: Alsfeld. Als, Sie verstehen? Zweite Brillanz.
Auch andere Bundesländer haben spitz gekriegt, dass solcherlei Landesfeste gut ankommen, mittlerweile gibt es vergleichbare Events in allen Flächenländern der Bundesrepublik. Mit Ausnahme Bayerns, da wird nur der Frankentag gefeiert; die Bewohner Altbayerns sind auch ohne derartige Feierlichkeiten davon überzeugt, im gesegnetsten aller deutschen Landstriche zu wohnen. Allerdings variiert die Ausprägung der einzelnen Festivitäten stark: Während in Hessen Konzerte von Scooter, Roxette, Sting oder Bryan Adams die größte Anziehungskraft haben, stehen zum Beispiel auf den »Heimattagen Baden-Württemberg« die Tracht und handgemachte Dicke-Backen-Musik im
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