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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Frühling
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Vordergrund.
    Leider arbeitet noch nicht jedes Bundesland mit einem Motto. Dabei könnte man sich vom »Tag der Sachsen« so viel Schönes abgucken. 2003 wurde in der Seidenblumenstadt Sebnitz unter dem unschlagbaren Slogan »Da blümelt Ihnen was« gefeiert. Weißwasser in der Oberlausitz wollte dem im Jahre 2005 in nichts nachstehen und schüttelte sich folgende Überschrift zurecht: »Wer Weißwasser kennt, weiß, was er kennt.« Die Stadt Oelsnitz lud den Rest des Landes 2010 zu sich ein und behauptete: »Sachsen feiert am Äquator.« Es verhält sich nämlich so, dass vor 310 Millionen Jahren der Äquator durchs Erzgebirge verlaufen sein muss, denn nur dort bildeten sich solche Steinkohlelagerstätten aus, wie es rund um Oelsnitz der Fall ist. Die Macher des »Tages der Sachsen« verstießen aus meiner Sicht damit allerdings gegen die wichtigste Motto-Regel, die besagt: Ein Slogan darf nie allzu erklärungsintensiv ausfallen.
    Stichwort Erklärung: Sind Sie schon mal dessen gewahr geworden, dass man sich als Westdeutscher ständig rechtfertigen oder erklären muss, wenn man öffentlich zugibt, Ostdeutschland zu mögen? Bis zum heutigen Tag reagieren die meisten Wessis mit Ablehnung, Amüsiertheit oder Ekel, wenn ihnen zum Beispiel ein Job im Osten angeboten wird. Viele verwerfen eine Anzeige im Stellenmarkt von vornherein, wenn der Arbeitsplatz in Erfurt, Bautzen oder Rostock liegt. Das Naserümpfen über den Osten ist aus meiner Sicht ein hochnäsiger Irrtum, wobei ich nicht sicher bin, ob Naserümpfen und Hochnäsigkeit anatomisch gleichzeitig überhaupt möglich sind. Die Stadtbilder im Osten bieten nämlich einen Vorteil, der vielen gar nicht bewusst ist: Die ehemalige DDR-Führung war bekanntlich kein Freund der Stadtkernsanierung. Günstiger war es, an den urbanen Rändern auf freiem Feld Plattenbauten hochzuziehen. Die Altstädte (sofern vom Krieg übergelassen) wurden kaum beachtet, oder, um es positiv auszudrücken: verschont. Im Westen wurde dagegen kontinuierlich modernisiert, was in den fünfziger bis achtziger Jahren zumeist bedeutete, dass Baulücken mit Monstren gefüllt wurden, denen man heute wünscht, ein selektives und regional eng begrenztes Erdbeben möge ein Einsehen haben und diese Sünden dem Erdboden gleichmachen.
    Was ich damit sagen will: Für innenstädtische Bausünden fehlte in der DDR oft der Wille oder schlicht das Geld. Dieser Umstand sorgte dafür, dass nach der Wende zwar verfallene, aber oft völlig intakte Straßenzüge vorgefunden wurden. Glücklicherweise bewies man in den neunziger Jahren schon mehr Fingerspitzengefühl beim Renovieren und Auffüllen der Baulücken, weswegen etliche ostdeutsche Klein-, Mittel-und zum Teil auch Großstädte über urbane Zentren verfügen, nach denen wir uns im Westen die Finger lecken würden. Natürlich konnte man aus einem zerstörten Dresden oder Magdeburg kein neues Elbflorenz mehr zaubern, aber wenn man sich die Betonummantelung vom Kölner Dom, das Mainzer Einkaufszentrum »Am Brand« oder die zweistöckige Shoppingpassage »Passerelle« vor dem Hauptbahnhof Hannover anguckt, kann man retrospektiv recht glücklich darüber sein, dass sich die sozialistischen Machthaber nur wenig für ihre Innenstädte interessiert haben.
    Völlig unbesorgt kann man im Osten übrigens auch in günstigen Hotels absteigen. Es traut sich nämlich niemand mehr, Zimmer zu vermieten, die noch im Original-DDR-Zustand sind (was allerdings heute fast schon wieder »Kult« wäre). Deswegen kann man in diesem Teil Deutschlands damit rechnen, dass die Zimmer zumindest im Lauf der letzten gut zwanzig Jahre mal eine Renovierung erfahren haben und keine Badezimmer mehr in Blau, Braun oder Gelb haben. Was dem sparsamen Übernachtungsgast im Westen schon gelegentlich noch passieren kann.
    An dieser Stelle ganz kurz ein Wort zum gesamtdeutschen Beherbergungswesen: Weswegen, liebe Hoteldirektoren, weswegen sorgt Ihr selbst dafür, dass Tag für Tag Tausende Hotelzimmer in unserem Lande unter Wasser stehen? Ihr lasst euch Badewannen statt Duschen in die Zimmer bauen, weil manche Gäste gerne ein Wannenbad nehmen. Okay. Und dann lasst ihr euch auf das hintere Drittel eurer Badewannensimse Glaswände montieren, weil Duschvorhänge out und eklig sind. Top. Aber warum sind diese Glaswände immer um die entscheidenden zehn Zentimeter zu kurz? Jeder Gast, der eine genüssliche Dusche nimmt, sorgt schon bei kurzem Abbrausen ungewollt dafür, dass mehr Wasser auf dem

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