Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Buches bimmelt wieder das Service-Glöckchen. Inspiriert von diesen seltsamen Ortsschildern habe ich eine kleine »Weltreise« für Sie ausgearbeitet, die Sie bei energiesparender Fahrweise kaum mehr als zwei Tankfüllungen kostet!
Starten wir den kleinen Trip in Storkow bei Berlin. Aber natürlich nicht direkt in Storkow, sondern im Ortsteil Philadelphia, der diesen Namen tatsächlich seit 1792 schon offiziell trägt. Von Philadelphia sind es nur unglaubliche 27 Kilometer bis Neuseeland. So nennt sich nämlich ein Stadtteil von Erkner. Rom dagegen liegt auf dem Weg von Neuseeland nach Kalifornien, was Ihnen vielleicht neu sein dürfte. Rom ist eine eigenständige Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern, 194 Kilometer von Neuseeland entfernt und 188 von unserem nächsten Ziel Kalifornien, das zum Holsteinischen Badeort Schönberg gehört. Direkt neben Schönberg-Kalifornien befindet sich Brasilien, etwa einen Kilometer entfernt. Beide Namen gehen auf althergebrachte Bezeichnungen der Strandabschnitte zurück. Hinter Brasilien haben Sie jetzt 99 Kilometer lang Zeit, sich eine dicke Jacke anzuziehen, jetzt geht es nämlich nach Sibirien. Das ist ein Naherholungsgebiet, eine Gaststätte, aber auch eine offizielle Straße in der Stadt Elmshorn. Von Sibirien nach Texas? Ein Katzensprung. Oder 159 Kilometer, um genau zu sein. Texas liegt nahe der Heidegemeinde Groß Oesingen im Kreis Gifhorn und umfasst eine Straße und ein paar Höfe. Da es hier nicht allzu viel zu sehen gibt, satteln wir die Pferde und reiten 207 Kilometer nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Unser Ziel heißt: Ägypten, Ortsteil von Neuenkirchen, Kreis Osnabrück. Allerdings ohne Pyramide und Sphinx, also weiter. Es folgt mit 325 Kilometern zwar die längste Etappe, es erwartet uns dafür aber auch ein veritables Heiligtum, Schaffensort diverser Propheten: Jerusalem. Nun tut es mir genau an dieser Stelle aber auch schon wieder leid, die Erwartungen so hoch geschraubt zu haben, denn Meiningen-Jerusalem dürfte keiner einzigen davon gerecht werden. Es handelt sich um ein trübes Plattenbau-Revier, das Ende der sechziger Jahre unter dem warmherzigen Namen »Wohnbezirk 20 und 21« errichtet wurde. Nach der Wende entsann man sich des Umstands, dass an gleicher Stelle etwa 200 Jahre früher eine Parkanlage und ein Gutshof standen, die auf den hochtrabenden Namen Jerusalem hörten. Daher entschied man sich in Meiningen, Wohnbezirk 20 und 21 umzubenennen und auswärtige Besucher an der Nase herumzuführen. Kein Ölberg, kein Garten Gethsemane, keine Klagemauer, nur Beton und Leerstand.
Nach dieser Enttäuschung wollen wir doch mal sehen, was das deutsche Cuba zu bieten hat, und fahren 150 Kilometer nach Osten. Ein Teil des Geraer Stadtteils Untermhaus heißt wie die karibische Insel, weist aber keinerlei Gemeinsamkeiten auf. Viel interessanter ist dieser Aspekt: Untermhaus heißt so, weil der Stadtteil unterhalb einer Burg liegt. Die anfangs extrem dogmatische DDR-Führung witterte, dass die Namensgebung aus einer Knechtschaft unter Feudalherren heraus entstanden sein könnte, und plante die Umbenennung von Untermhaus. Im Gespräch als neuer Namen für den Stadtteil war auch »Freiheit«. So hätte also das schon früher eingemeindete Cuba zu Freiheit gehört. Auch irgendwie paradox, oder? Man ließ von den Plänen allerdings ab, weil die Bevölkerung dafür nicht zu begeistern war. Auch was Neues, dass die DDR-Führung vor etwas zurückschreckte, weil das Volk es nicht wollte. Nun ja. Einen Hauch große weite Welt konnte man auch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs fünfzehn Kilometer westlich von Gera schnuppern, in der Siedlung Kanada bei Münchenbernsdorf. Der Name stammt aus den dreißiger Jahren. Als zur Besiedlung dort der Wald gerodet wurde, erinnerte das Treiben die Thüringer offenbar an das alltägliche Getummel in Saskatchewan oder Manitoba, was dem Flecken schließlich offiziell den Namen »Siedlung Kanada« einbrachte.
An dieser Stelle möchte ich nur kurz erwähnen, dass ein weiterer Ort neben Münchenbernsdorf Lederhose heißt. Hat nichts mit dem Thema zu tun, fand ich aber trotzdem gut.
Streifen wir nun also das kanadische Holzfällerhemd und die Lederhose ab und tauschen beides gegen so wenig Kleidung wie möglich, denn wir machen uns auf die Socken nach Kamerun, das nur schlappe 124 Kilometer von Kanada entfernt liegt. Und zwar in Form eines Forsthauses in der Nähe des Oberfränkischen Creußen. Im Falle von Kamerun muss man allerdings
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