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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Forelle!»
    An der flachen, kiesigen Stelle fing er zwei kleine Forellen, die auch sehr schön waren, gesund, mit festem Fleisch. Er nahm die drei Fische aus und warf die Eingeweide in den Bach. Dann wusch er die Forellen sorgfältig in dem kalten Wasser und wickelte sie in einen kleinen, ausgeblichenen Zuckersack, den er in der Tasche hatte.
    Ein Glück, daß das Mädchen Fisch mag, dachte er. Ich wollte, wir hätten noch ein paar Beeren pflücken können. Ich weiß wenigstens eine Stelle, wo’s immer welche gibt. Er stieg den Hang hinauf, dem Lager zu. Die Sonne war hinter dem Hügel untergegangen; das Wetter war gut. Er schaute über den Sumpf hinaus und dann zum Himmel hinauf. Über dem Ausläufer des Sees, den man von hier nicht sehen konnte, flog ein Fischadler.
    Er näherte sich dem Unterschlupf ganz leise, so daß seine Schwester ihn nicht hörte. Sie lag auf der Seite und las. Er sah sie an, dann sagte er gedämpft, um sie nicht zu erschrecken:
    «Was hast du denn jetzt wieder angestellt, du Affe?»
    Sie wandte sich um, blickte ihn lächelnd an und schüttelte den Kopf. «Ich hab’s abgeschnitten», sagte sie.
    «Ja, wie denn?»
    «Mit der Schere. Was hast denn du gedacht?»
    «Ja, aber … Du konntest doch gar nichts sehen dabei!»
    «Einfach vom Kopf weggezogen und abgeschnitten. Seh ich aus wie ein Junge?»
    «Wie ein Eingeborenenjunge aus Borneo.»
    «Einen Sonntagsschulhaarschnitt hab ich nicht hingekriegt. Sieht’s zu wild aus?»
    «Nein.»
    «Es ist schrecklich aufregend», sagte sie. «Jetzt bin ich deine Schwester, aber ich bin auch ein Junge. Meinst du, ich werde mich ganz in einen Jungen verwandeln?»
    «Nein.»
    «Tät ich aber gern.»
    «Du bist ja verrückt.»
    «Kann schon sein. Seh ich aus wie ein Idiotenjunge?»
    «’n bißchen schon.»
    «Du kannst es ja noch zurechtschnippeln. Wenn du ’n Kamm dazu nimmst – du siehst ja, wo du schneidest.»
    «Ja, ein wenig sauber schneiden muß ich’s. Aber nicht viel. Hast du Hunger, Bruder Idiot?»
    «Könnte ich nicht vielleicht ein ganz normaler, un-idiotischer Bruder sein?»
    «Dich möcht ich nicht eintauschen gegen einen Bruder.»
    «Mußt du jetzt aber, Nickie – verstehst du das denn nicht? Es mußte ganz einfach sein. Vielleicht hätt ich dich vorher fragen sollen, aber ich wußte, es muß sein, und da hab ich’s gemacht. Als Überraschung.»
    «Also, mir gefällt es», sagte Nick. «Mir gefällt’s sogar sehr. Zum Henker mit allem anderen.»
    «Danke, Nickie; danke sehr … Erst hab ich dagelegen und versucht, mich auszuruhen, wie du’s gesagt hast. Aber die ganze Zeit ist mir alles mögliche im Kopf herumgegangen, was ich tun könnte, um dir zu helfen. Ich wollte dir eine Kautabaksdose voll Knockout-Tropfen besorgen – aus einem großen Saloon in Sheboygan oder da herum.»
    «Und von wem hast du sie gekriegt?»
    Nick hatte sich hingesetzt, und seine Schwester saß auf seinem Schoß, hielt ihn umarmt und rieb den kurzgeschorenen Kopf an seiner Wange.
    «Von der Hurenkönigin», sagte sie. «Und weißt du auch, wie der Saloon heißt?»
    «Nein.»
    «‹The Royal Ten Dollar Gold Piece Inn and Emporium›.»
    «Aha. Und was hast du dort gemacht?»
    «Ich war Hurenassistentin.»
    «Hurenassistentin? Was hat denn die zu tun?»
    «Ooch … Sie trägt der Hure die Schleppe, wenn sie rumläuft, und sie hält ihr den Wagenschlag auf und zeigt ihr den Weg zum Zimmer. So ähnlich wie eine Hofdame, denk ich mir.»
    «Und was redet sie so mit der Hure?»
    «Alles, was ihr in den Sinn kommt. Nur höflich muß es sein.»
    «Zum Beispiel, Bruder?»
    «Na, zum Beispiel: ‹Also, ma’am , an so einem heißen Tag wie heute muß es doch furchtbar anstrengend sein, wenn man nichts ist als ein Vogel im goldenen Käfig …› Solche Sachen halt.»
    «Hmhm. Und was sagt dann die Hure?»
    «Sie sagt: ‹Da haste recht, weiß Gott; da kommste ins Schwitzen.› Weil nämlich die Hure, bei der ich Assistentin war, einfacher Herkunft ist, ja?»
    «Und welcher Herkunft bist du?»
    «Ich bin die Schwester von einem morbiden Schriftsteller – oder der Bruder; und ich habe eine feine Erziehung genossen. Das macht mich überaus begehrenswert für die Haupthure und die Leute aus ihren Kreisen.»
    «Und du hast die Knockout-Tropfen bekommen?»
    «Natürlich. ‹Nimm die alten Troppen da›, hat sie gesagt. ‹Besten Dank auch!› hab ich gesagt. ‹Einen schönen Gruß an deinen morbiden Bruder, und sag ihm, er soll mal im Emporium reinschaun, wenn er nach

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