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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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leuchteten rosig unter der Bräune, und das kurzgeschnittene Haar ließ den schönen Umriß des Kopfes erkennen und betonte die gerade Nase und die enganliegenden Ohren. Wenn ich sie doch so zeichnen könnte, dachte er und betrachtete die langen Wimpern auf ihrer Wange.
    Wie ein kleines Wildtier sieht sie aus, dachte er, und so schläft sie auch. Wie sieht ihr Kopf jetzt aus – was soll man da sagen … Am ehesten, als ob ihr jemand das Haar mit der Axt auf einem Hauklotz abgehackt hätte. Er sieht irgendwie aus wie geschnitzt, ihr Kopf.
    Er liebte seine Schwester sehr, und sie liebte ihn zu sehr. Aber das wird wohl schon ins Lot kommen, dachte er. Das hoffe ich wenigstens.
    Er dachte, es hat keinen Sinn, jemand zu wecken. Sie muß total erschöpft gewesen sein – wo ich schon so müde bin. Wenn wir hier sicher sind, dann verhalten wir uns genau richtig: Wir machen uns unsichtbar, bis sich alles wieder beruhigt hat, bis der von außerhalb wieder abgehauen ist … Ich muß aber zusehen, daß sie mehr zu essen bekommt, ’ne Schande, daß ich mich nicht besser ausrüsten konnte.
    Immerhin, wir haben ’ne Menge mit. Das Bündel war schwer genug. Aber was wir heute brauchen, sind Beeren. Und ich sollte ein Rebhuhn schießen oder zwei, wenn möglich. Wir können auch Pilze sammeln. Mit dem Speck müssen wir sparsam umgehen; aber wir haben ja noch das Pflanzenfett, da brauchen wir ihn eigentlich gar nicht. Sie ist daran gewöhnt, viel Milch zu trinken, und an Süßigkeiten … Na, keine Sorge; wir werden schon anständig essen. Ein Glück, daß sie Forellen mag. Die waren wirklich prima. Nein, ich brauch mir keine Gedanken zu machen wegen ihr; sie wird schon zulangen. Aber gestern hab ich sie wirklich ’n bißchen knapp gehalten. Ich weck sie jetzt auch nicht; besser, sie schläft noch. Und ich hab allerhand zu tun.
    Sehr behutsam holte er verschiedenes aus dem Bündel. Seine Schwester lächelte im Schlaf. Wenn sie lächelte, spannte sich die Haut über den Backenknochen, und unter der Bräune wurde die blassere Hautfarbe sichtbar. Sie wachte nicht auf, und er begann Feuer zu machen und das Frühstück vorzubereiten. Brennholz war reichlich da; er hielt das Feuer klein, kochte Tee und wartete, bis es Zeit zum Frühstückmachen war. Er trank seinen Tee ohne Milch und aß drei gedörrte Aprikosen dazu. Dann versuchte er, ‹Lorna Doone› zu lesen, aber er kannte das Buch schon, und es hatte seinen Zauber verloren; er merkte, daß es ein Fehlgriff gewesen war, es mitzunehmen.
    Als sie gestern am späten Nachmittag das Lager aufschlugen, hatte er Dörrpflaumen in einem Blecheimerchen eingeweicht; jetzt stellte er sie zum Kochen aufs Feuer. Im Bündel hatte er backfertiges Buchweizenmehl gefunden; in einem Emailtopf rührte er mit Wasser den Teig an. Er öffnete die Büchse mit dem Pflanzenfett, tat davon in die Pfanne, wartete, bis es brutzelte und spritzte, goß von dem Teig darauf und sah zu, wie er Blasen trieb, am Rand fest zu werden begann, sich hob und dann die graue Oberfläche des Buchweizenkuchens bildete. Mit einem sauberen, frisch geschnittenen Holzspan stocherte er den Kuchen vom Pfannenboden los, ließ ihn zum Wenden hochschnellen und fing ihn mit der Pfanne auf, die schön gebräunte Seite nach oben, die helle im heißen Fett brutzelnd. Er spürte das Gewicht und sah, wie der Fladen in der Pfanne aufging.
    «Guten Morgen», sagte seine Schwester. «Hab ich schrecklich lang verschlafen?»
    «Nein, du kleines Biest.»
    Sie stand auf; das Hemd hing über ihre braunen Beine herunter. «Du hast ja schon alles gemacht.»
    «Ach wo. Ich hab gerade erst mit den Kuchen angefangen.»
    «Haach, wie das riecht … Ich wasch mich unten an der Quelle, dann komm ich und helf dir.»
    «Wasch dich nicht in der Quelle.»
    «Ich doch nicht wie weißer Mann», sagte sie und verschwand hinter dem Unterschlupf. «Wo ist denn die Seife?» fragte sie.
    «Liegt bei der Quelle. Da steht auch ein leerer Schmalzeimer. Und bring die Butter mit, ja? Liegt in der Quelle.»
    «Ich bin gleich wieder da.»
    Sie fand ein halbes Pfund Butter und brachte es, in Ölpapier gewickelt, in dem Eimer mit.
    Sie aßen die Buchweizenkuchen mit Butter und Ahornsirup Marke Blockhaus. Die Büchse hatte die Form eines Blockhauses; man konnte den Schornstein abschrauben, und da kam der Sirup heraus. Sie waren beide sehr hungrig, und die Kuchen schmeckten vorzüglich mit der Butter, die auf ihnen zerschmolz und sich an den eingekerbten Stellen mit dem Sirup

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