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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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gaben Schatten, und im Schatten gefror einem der Schweiß im Unterzeug. Außerhalb der Hütte konnte man nur mit einer dunklen Brille sitzen. Es war angenehm, schwarz zu brennen, aber die Sonne war sehr ermüdend gewesen. Man konnte sich nicht in ihr ausruhen. Ich war froh, wieder unten und aus dem Schnee heraus zu sein. Für die Silvretta war es zu spät im Jahr. Ich hatte das Skilaufen ein bißchen über. Wir waren zu lange geblieben. Ich konnte noch das Schneewasser schmecken, das vom Blechdach der Hütte abschmolz und das wir getrunken hatten. Dieser Geschmack gehörte mit zu meinen Gefühlen über Skilaufen. Ich war froh, daß es neben Skilaufen noch andere Dinge gab, und ich war froh, daß ich aus dem unnatürlichen Hochgebirgsfrühling in diesen Maimorgen hinein ins Tal hinunterkam.
    Der Wirt saß vor dem Gasthaus; sein Stuhl kippte nach hinten gegen die Mauer. Neben ihm saß der Koch.
    «Ski Heil», sagte der Wirt.
    «Heil», sagten wir und lehnten die Skier gegen die Mauer und nahmen unsere Rucksäcke ab.
    «Wie war es oben?» fragte der Wirt.
    «Schön. Ein bißchen zuviel Sonne.»
    «Ja, in dieser Jahreszeit gibt’s zuviel Sonne.»
    Der Koch blieb auf seinem Stuhl sitzen. Der Wirt ging mit uns hinein, schloß sein Büro auf und brachte uns unsere Post. Ein Stoß Briefe und einige Zeitungen.
    «Wir wollen Bier bestellen», sagte John.
    «Gut. Wir wollen’s drinnen trinken.»
    Der Besitzer brachte zwei Flaschen, und wir tranken sie, während wir unsere Briefe lasen.
    «Wir trinken wohl noch mehr Bier», sagte John. Diesmal brachte es ein Mädchen. Sie lächelte, als sie die Flaschen öffnete.
    «Viele Briefe», sagte sie.
    «Ja, viele.»
    «Zum Wohl», sagte sie und nahm die leeren Flaschen mit hinaus.
    «Ich hatte vergessen, wie Bier schmeckt.»
    «Ich nicht», sagte John. «Oben in der Hütte hab ich sehr viel daran gedacht.»
    «Na», sagte ich, «jetzt haben wir’s ja.»
    «Man sollte nie etwas zu lange tun.»
    «Nein, wir waren zu lange da oben.»
    «Verdammt zu lange», sagte John. «Es hat keinen Sinn, was zu lange zu tun.»
    Die Sonne kam durch das offene Fenster und schien durch die Bierflaschen auf dem Tisch. Die Flaschen waren halb voll. Auf dem Bier in den Flaschen war ein bißchen Schaum, nicht viel, weil es sehr kalt war. Es schäumte auf, wenn man es in die hohen Gläser goß. Ich sah durch das offene Fenster auf die weiße Straße. Die Bäume am Straßenrand waren staubbedeckt. Jenseits war ein grünes Feld und ein Fluß. Am Fluß waren Bäume und eine Mühle mit einem Wasserrad. Durch die offene Seite der Mühle sah ich einen langen Baumstamm und eine sich in ihm auf und ab bewegende Säge. Niemand schien sie zu führen. Vier Krähen stolzierten auf dem grünen Feld umher. Eine Krähe saß auf einem Baum und äugte um sich. Draußen vor der Haustür stand der Koch von seinem Stuhl auf und ging durch den Gang, der hinten in die Küche führte. Drinnen schien das Sonnenlicht durch die leeren Gläser auf dem Tisch. John saß vornübergebeugt mit dem Kopf auf den Armen.
    Durch das Fenster sah ich zwei Männer die Vorderstufen heraufkommen. Sie kamen in die Trinkstube. Der eine war der bärtige Bauer mit den hohen Stiefeln. Der andere war der Totengräber. Sie setzten sich an den Tisch unter dem Fenster. Das Mädchen kam herein und stellte sich an ihren Tisch. Der Bauer schien sie nicht zu sehen. Er saß da mit den Händen vor sich auf dem Tisch. Er trug seine alten Militärsachen. Er hatte Flicken auf den Ellbogen.
    «Was soll ich bestellen?» fragte der Totengräber. Der Bauer beachtete es nicht.
    «Was willst du trinken?»
    «Schnaps», sagte der Bauer.
    «Und ein Viertel Roten», sagte der Totengräber zu dem Mädchen.
    Das Mädchen brachte die Getränke, und der Bauer trank den Schnaps. Er blickte aus dem Fenster. Der Totengräber beobachtete ihn. Johns Kopf lag auf dem Tisch. Er schlief.
    Der Wirt kam herein und ging an den Tisch hinüber. Er sprach Dialekt, und der Totengräber antwortete ihm. Der Bauer blickte aus dem Fenster. Der Wirt ging aus dem Zimmer. Der Bauer stand auf. Er nahm eine zusammengekniffte Zehntausend-Kronen-Note aus einer ledernen Brieftasche und entfaltete sie. Das Mädchen kam heran.
    «Alles?» fragte sie.
    «Alles», sagte er.
    «Laß mich den Wein bezahlen», sagte der Totengräber.
    «Alles», sagte der Bauer nochmals zu dem Mädchen. Sie steckte die Hand in die Schürzentasche und brachte sie mit Münzen gefüllt wieder zum Vorschein und zählte das

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