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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Solange es vernünftig klang, glaubten einem die Leute alles. Joyce glaubten sie alles.
    Er wußte genau, wie Cézanne diesen Flußabschnitt malen würde. Gott, wenn er nur hier wäre, um es zu tun. Sie starben einfach weg, das war der Mist dabei. Ihr ganzes Leben lang arbeiteten sie, dann wurden sie alt und starben.
    Nick, immer noch vor Augen, wie Cézanne den Flußabschnitt und das Sumpfland dahinter malen würde, stand auf und trat in die Strömung hinaus. Das Wasser war kalt und wirklich. Er watete quer durch den Bach in das Bild hinein. Am Ufer kniete er im Kies nieder und langte hinunter nach dem Sack mit der Forelle. Er lag im Bach, dort, wohin er ihn, über die seichten Stellen hinweg, geschleift hatte. Der alte Bursche war lebendig. Nick band den Sack auf, ließ die Forelle ins Wasser gleiten und sah zu, wie sie sich im Seichten zwischen den Steinen hindurchwand, mit herausragendem Rücken, und der Strömung zustrebte.
    «War schon zu groß zum Essen», sagte Nick. «Fürs Abendbrot fang ich beim Lager ein paar kleine.»
    Indem er die Angelschnur aufspulte, kletterte er die Uferböschung hinauf und machte sich durch das Buschwerk auf den Weg. Er aß ein Sandwich. Er hatte es eilig, und die Angelrute behinderte ihn. Er dachte nicht nach. Es ging ihm etwas im Kopf herum. Er wollte das Lager erreichen und an die Arbeit gehen.
    Die Angelrute dicht am Körper, schob er sich durch das Buschwerk. Die Schnur verfing sich an einem Ast. Nick blieb stehen, kappte die Leitschnur und spulte die Schnur auf. Er ging jetzt mühelos durch das Buschwerk, indem er die Angelrute mit ausgestrecktem Arm vor sich hielt.
    Er sah weiter vorn, flach auf den Pfad gepreßt, ein Kaninchen. Widerwillig blieb er stehen. Das Kaninchen atmete kaum. An seinem Kopf saßen zwei Zecken, eine hinter jedem Ohr. Sie waren grau, vollgesogen mit Blut, groß wie Trauben. Nick riß sie ab. Ihre Köpfe waren klein und hart, die Beine zappelten. Er zertrat sie auf dem Pfad.
    Nick hob das Kaninchen auf. Es war schlaff, mit stumpfen Knopfaugen. Er legte es unter einen Farnstrauch neben dem Pfad. Während er es niederlegte, fühlte er, wie das Herz des Tieres klopfte. Das Kaninchen blieb regungslos unter dem Farn liegen. Vielleicht kommt es wieder zu sich, dachte Nick. Wahrscheinlich hatten sich die Zecken festgesaugt, während es im Gras kauerte. Vielleicht nachdem es über eine freie Fläche gehoppelt war. Er wußte es nicht.
    Er folgte dem Pfad zum Lager hinauf. Es ging ihm etwas im Kopf herum.

Ein Gebirgsidyll
    Selbst am frühen Morgen war es heiß, wenn man ins Tal hinunterkam. Die Sonne schmolz den Schnee auf unseren Skiern, die wir trugen, und trocknete das Holz. Es war Frühling im Tal, aber die Sonne war sehr heiß. Wir gingen die Straße entlang nach Galtür hinein und trugen unsere Skier und Rucksäcke. Als wir am Kirchhof vorbeikamen, war gerade eine Beerdigung zu Ende. Ich sagte «Grüß Gott» zu dem Priester, der an uns vorbeikam, als er den Kirchhof verließ. Der Priester neigte den Kopf.
    «Es ist komisch, daß kein Priester je ein Wort zu einem sagt», meinte John.
    «Man sollte denken, daß sie gern ‹Grüß Gott› sagen.»
    «Sie antworten nie», sagte John.
    Wir blieben auf der Straße stehen und sahen dem Totengräber zu, wie er die frische Erde hineinschaufelte. Ein Bauer mit einem schwarzen Bart und hohen Lederstiefeln stand neben dem Grab. Der Totengräber hörte auf zu schaufeln und reckte sich. Der Bauer in den hohen Stiefeln nahm dem Totengräber den Spaten ab und fuhr fort, das Grab zuzuschaufeln, wobei er die Erde so gleichmäßig verteilte, wie ein Mann Dünger im Garten verteilt. An dem strahlenden Maimorgen sah das Zuschaufeln des Grabes unwirklich aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß irgend jemand tot war.
    «Stell dir mal vor, an einem Tag wie heute beerdigt zu werden», sagte ich zu John.
    «Möcht ich nicht.»
    «Na», sagte ich. «Brauchen wir ja auch nicht.»
    Wir gingen weiter die Straße hinauf an den Häusern des Ortes vorbei zum Gasthof. Wir waren in der Silvretta einen Monat lang Ski gelaufen, und es war angenehm, unten im Tal zu sein. In der Silvretta war das Skilaufen gut gewesen, aber es war eben Frühlingsskilaufen; der Schnee war nur frühmorgens und dann wieder abends gut. Die übrige Zeit wurde er von der Sonne verdorben. Wir hatten beide die Sonne satt. Man konnte sich vor der Sonne nicht retten. Nur die Felsen und die Hütte, die neben einem Gletscher im Schutz eines Felsens errichtet war,

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