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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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mußte das Leben verdauen und dann seine Gestalten selber schaffen. Und doch, Mac hatte das Zeug.
    Der Nick der Stories, das war nie er selbst. Er hatte ihn erfunden. Natürlich hatte er nie zugesehen, wie eine Indianerin ein Kind bekam. Und eben darum wurde es gut. Niemand begriff das. Er hatte einmal gesehen, wie eine Frau auf der Straße nach Karagatch ein Kind bekam, und versucht, ihr zu helfen. So war das gewesen.
    Er wünschte, er könnte immer so schreiben. Irgendwann einmal würde er es können. Er wollte ein großer Schriftsteller sein. Er war ziemlich sicher, daß er einer werden würde. Er spürte es auf vielerlei Weise. Er würde es werden, allem zum Trotz. Aber es war schwer.
    Es war schwer, ein großer Schriftsteller zu sein, wenn man die Welt liebte, wenn man es liebte, in ihr zu leben, und wenn man ungewöhnliche Leute liebte. Es war schwer, wenn man so viele Orte liebte. Dann war man gesund und fühlte sich wohl und ließ es sich gutgehen, und zum Teufel mit allem anderen.
    Er konnte immer am besten arbeiten, wenn es Helen nicht gut ging. Er brauchte ein wenig Unzufriedenheit und Reibung. Dann gab es Zeiten, da mußte man einfach schreiben. Nicht aus Gewissenhaftigkeit. Es war eher wie ein peristaltischer Vorgang. Dann wieder hatte man das Gefühl, man werde überhaupt niemals schreiben können. Aber nach einer Weile wußte man, daß man früher oder später, irgendwann einmal, wieder eine gute Story schreiben würde.
    Es machte wirklich mehr Spaß als irgend etwas sonst. Das war der wahre Grund, weshalb man es tat. Das war ihm nie zuvor klargeworden. Es hatte nichts mit Gewissenhaftigkeit zu tun. Es war einfach das, wobei er das größte Vergnügen empfand. Es packte einen mehr als alles andere. Und dann war es auch so verdammt schwer, wirklich gut zu schreiben.
    Es gab so viele Tricks.
    Das Schreiben war einfach, wenn man mit Tricks arbeitete. Jeder tat es. Joyce hatte hundert neue erfunden. Daß sie neu waren, machte sie auch nicht besser. Sie würden alle zu Klischees werden.
    Er wollte gern so schreiben, wie Cézanne gemalt hatte.
    Cézanne hatte mit all den Tricks angefangen. Dann nahm er das Ganze auseinander und baute eine Wirklichkeit auf. Ein Wahnwitz geradezu. Er war der größte. Der Größte für alle Zeit. Das hatte nichts mit Kult zu tun. Er, Nick, wollte so über die Landschaft schreiben, daß sie da war, so wie Cézanne es in seinen Bildern erreicht hatte. Man mußte es aus sich selbst herausholen. Da gab es keine Tricks. Noch nie hatte jemand so über die Landschaft geschrieben. Es kam ihm fast wie etwas Heiliges vor. Es war eine Sache von tödlichem Ernst. Man konnte es schaffen, wenn man den Kampf ausfocht. Wenn man ganz mit den Augen gelebt hatte.
    Es war etwas, worüber man nicht reden konnte. Er würde so lange daran arbeiten, bis er es erreicht hatte. Vielleicht würde er es nie erreichen, aber er würde es spüren, wenn er dem Ziel näher kam. Es war ein Job. Fürs ganze Leben vielleicht.
    Menschen zu beschreiben war leicht. All dieser smarte Kram war leicht. Vor dem Hintergrund dieser Zeit, Wolkenkratzer-Primitivisten, Cummings, wenn er smart war – es war automatisches Schreiben, allerdings nicht ‹Der endlose Raum› , das war ein Buch, es war eines der großen Bücher. Cummings hatte hart gearbeitet, um es zustande zu bringen.
    Gab es noch jemand? Der junge Asch hatte etwas, aber man konnte nie wissen. Die Juden lassen schnell nach. Sie haben alle einen guten Start. Mac hatte etwas. Don Stewart hatte, nach Cummings, am meisten. Manchmal in den Haddocks. * Ring Lardner, vielleicht. Ganz vielleicht. Die alten wie Sherwood. Die noch älteren wie Dreiser. Gab es noch jemand? Ein paar Junge vielleicht. Große Unbekannte. Aber Unbekannte gibt es ja nie.
    Sie alle mühten sich nicht um das, worum er sich mühte.
    Er sah die Bilder von Cézanne vor sich. Das Porträt bei Gertrude Stein. Sie würde es merken, wenn er es je richtig schaffte. Die beiden guten im Luxembourg und die, die als Leihgaben bei Bernheim hingen, wo er sie täglich betrachtet hatte. Die Soldaten, die sich zum Schwimmen ausziehen, das Haus hinter den Bäumen, einer der Bäume mit einem Haus dahinter, nicht das Haus am See, das andere Haus am See. Das Knabenporträt. Cézanne konnte auch Menschen malen. Aber das war einfacher; wenn er Menschen malte, nutzte er das, was ihm die Beschäftigung mit der Landschaft gegeben hatte. Das konnte Nick auch. Menschen, das war leicht. Niemand wußte etwas von ihnen.

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