Nick aus der Flasche
im Heim an nichts gefehlt.« Nick wollte jetzt nicht über Tote oder die Vergangenheit reden und Julie nicht so traurig sehen, denn dann fühlte er sich auch gleich wieder schlecht. Daher lächelte er aufmunternd und sagte: »Jetzt lass uns Chemie lernen.«
* * *
Während der nächsten halben Stunde half Nick ihr tatsächlich beim Referat. Julie hatte zuvor einen Text über die Elektrolyse ausgedruckt und den ging Nick nun mit ihr durch.
»Elektrische Energie trennt Ionen voneinander. Das nennt man Elektrolyse«, erklärte er ihr und deutete auf eine Abbildung. »Habt ihr das nicht schon längst gelernt?«
»Doch«, erwiderte sie kleinlaut. »Deshalb hab ich mir ja das Thema ausgesucht, weil ich dachte, es wäre nicht so schwer, doch ich hab damals wohl nicht aufgepasst. Jetzt sollen wir im Abschlussjahr noch mal das Wichtigste für die Klasse wiederholen. Wobei ich das noch halbwegs kapiere, aber bei der Redoxreihe muss ich passen. Die hab ich auch noch zu lernen.«
»Okay.« Er grinste. »Fangen wir mit dem einfachen Stoff an. Du brauchst zwei Elektroden und tauchst sie in die Lösung. Nun schließt man einen Gleichstrom an. An der Kathode – so nennt sich die negativ geladene Elektrode – sammeln sich die positiv geladenen Ionen …« Während er ganz in seinem Element war, musste Julie ihn ständig ansehen. Ihr ging nicht aus dem Kopf, was Nick bereits alles durchgemacht hatte. Sie unterdrückte ein Schaudern, als sie sich an die Striemen auf seinem Rücken erinnerte. Der alte Bastard hatte ihn geschlagen! Was hatte Nick dort in der Hölle noch erlebt?
Am liebsten wollte sie ihn in die Arme ziehen. Er war ihr ohnehin so nah, ständig berührten sie sich. Aber sie kannten sich erst seit gestern, außerdem war er kein richtiger Mensch. Oder doch? Ob es eine Möglichkeit gab, ihn zurückzuverwandeln?
Nick zeichnete die chemischen Formeln auf den Ausdruck. »In deinem Fall musst du ja Natrium und Chlor gewinnen, dazu brauchst du zuerst Natriumchlorid, das mittels Elektrolyse …«
Julie betrachtete ihn genauer. Grübchen bildeten sich in seinen Wangen, wenn er lachte, doch wenn er ernst oder angestrengt schaute, so wie jetzt, bekam er zwei Falten zwischen den Brauen.
Über seinen Pobacken hatte er auch Grübchen, erinnerte sie sich und unterdrückte ein Kichern. Sie konnte kaum den Blick von ihm abwenden. Er wirkte irgendwie so erwachsen. Und wie schlau er war!
Besonders gut gefiel ihr, wie ihm sein hellbraunes Haar ins Gesicht fiel. Dann hatte er etwas Verwegenes an sich. Das fand sie sexy.
Erneut wurde ihr bewusst, dass er wie ein ganz normaler junger Mann aussah. Und er lebte bei ihr. Hatte sogar schon mit ihr im selben Bett geschlafen!
Schade, dass er ein Flaschengeist war.
Magier, Geister … Julie schüttelte den Kopf. Wenn ihr gestern jemand erzählt hätte, was sie heute wusste, hätte sie ihn für verrückt gehalten.
»Kommst du nicht mit?«, fragte er.
»Doch, erzähl ruhig weiter.« Sie liebte es, seiner Stimme zu lauschen und in Gedanken zu versinken. Wenn er nicht gerade Mini-Nick war, hatte er eine schöne Stimme. Sie kribbelte auf ihrer Haut. Die sanften Schwingungen gingen ihr durch und durch.
Wie würde sich ihr Leben jetzt ändern, mit einem Flaschengeist an ihrer Seite , der vom Alter ihr Freund sein könnte?
Julie musste zugeben, dass Nick sogar extrem attraktiv war. Allein seine Lippen … Sie besaßen eine wunderschöne Form und sahen so rosig aus. Ab und zu schnellte Nicks Zungenspitze hervor, wenn er sie in den Mundwinkel stupste. Machte er das unbewusst? Weil er sich auf den Text konzentrierte? Wie würde sich seine Zunge in ihrem Mund anfühlen?
»Nun sammelt sich das Natrium an der Kathode und an der Anode steigt Chlorgas auf.« Er wandte ihr den Kopf zu, woraufhin sie hastig wegschaute. »Hörst du mir überhaupt zu?«
»Äh, ja, Kathode … und so.« Ihr Gesicht glühte. Wenn Nick wüsste, was sie sich eben ausgemalt hatte! Vor Scham wollte sie ihm Boden versinken, doch da rettete sie das Klingeln ihres Smarthphones. Das Bild eines rothaarigen Jungen leuchtete ihr entgegen. Martin!
»Er schon wieder, mal sehen, was er will.« Sie nahm das Gespräch an.
»Hi, Jul, ich wollte nur noch mal nachfragen, ob du jetzt zur Party mitkommst oder nicht?«
»Was will er denn?«, flüsterte Nick.
Neugieriger Dschinn!
Sie hielt das Mikrofon zu und sagte: »Auf eine Party.«
Als Nick sie erneut so durchdringend anschaute, als würde ihm das nicht passen, kam ihr eine
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