Nick aus der Flasche
Blick auf einen Jogger, der am Ufer entlanglief. Danach schnippte er und zog die Jeans herunter. Jetzt trug er dieselben Badeshorts wie der Läufer: weiß, mit einem verschnörkelten schwarzen Muster, ähnlich den Tribals eines Tattoos.
Mann, seine Fähigkeiten waren wirklich praktisch.
Nachdem er sich auf einem Handtuch in die Sonne gelegt hatte, malte er eine große Raute in den Sand. Doch er wischte das Muster wieder weg und betrachtete den Lenkdrachen der Kinder, der wie eine Fledermaus aussah. Nick malte die Umrisse nach und schaute sich erst verstohlen um, bevor er abermals schnippte.
Fasziniert starrte Julie auf den Sand. Er verdichtete sich, bewegte sich wie von Geisterhand, änderte die Farbe von Graubraun nach Violett und bildete schließlich ein Segel sowie das Gestänge aus – und das alles in rasender Geschwindigkeit. Keine drei Sekunden später lag vor ihr ein Fluggerät, inklusive Leine.
»Wow, deine Zauberkünste haben sich echt gesteigert. Der sieht toll aus!« Als sie den Drachen in die Hand nahm, flatterte sofort der Schwanz, der sich darunter versteckt hatte, im Wind. Hunderte winziger Herzchen waren daran befestigt.
Hastig schaute sie zu Nick. Der zuckte mit den Schultern und riss die Augen auf, wobei sich tiefe Röte um seine Nase ausbreitete. »Das war keine Absicht!«
Sein Gesichtsausdruck brachte sie zum Lachen, denn er sah gleichermaßen verzweifelt und verdutzt aus. Da grinste er ebenfalls, wobei seine hellen Zähne im Sonnenlicht aufblitzten.
Obwohl der Wind um ihre Ohren pfiff, glaubte sie ihren rasenden Puls zu hören. Wenn das kein Zeichen war!
Nick sprang vom Handtuch auf und nahm ihr den Drachen ab. »Komm, lassen wir ihn steigen.«
Julie hielt die Leine, während er die lila Fledermaus in die Brise hielt. Sofort stieg sie auf und der Herzchenschwanz flatterte munter über den blauen Himmel.
»Der fliegt ja super!«, rief Martin zu ihnen herüber. Gerade kam er mit Evan aus dem Wasser. »Ich hab gar nicht bemerkt, dass du einen Drachen dabei hattest.«
»Den haben wir auch erst zusammengebaut«, sagte sie augenzwinkernd und Martin verstand, denn er grinste Nick wissend an.
Sie hatten alle eine Menge Spaß, ließen abwechselnd den Drachen steigen und lachten ausgelassen, bis ihre Körper vor Schweiß glänzten.
»Lust auf eine Runde Hahnenkampf?«, fragte Martin, nahm Evan an der Hand und rannte mit ihm ins Wasser. Als er bis zu den Hüften drin stand, tauchte er unter und Evan hockte sich auf seine Schultern.
Prustend tauchte Martin wieder auf, umklammerte Evans Beine und rief: »Wir sind bereit!«
Julie brachte den Drachen auf ihre Decke und beschwerte ihn mit ihrer Tasche, damit er nicht davonwehte. Dann folgte sie Nick ins Meer. Es war herrlich frisch. So frisch, dass sie es nur bis zu den Oberschenkeln hineinschaffte.
»Was ist Hahnenkampf?«, fragte er leise, sodass die anderen es nicht hörten.
»Ein Träger nimmt einen Kämpfer auf die Schultern und versucht, einen oder beide Gegner ins Wasser zu schmeißen.«
Er grinste breit. »Das wird ein Kinderspiel. Aufsetzen, Mylady.« Er tauchte bis zu den Schultern ein und sie kletterte auf ihn. Es war eine wacklige Angelegenheit und Julie musste sich an seinem Kopf festhalten. Sie quietschte, weil sie beinahe von seinen Schultern rutschte, doch da packte er ihre Beine und hielt sie fest. Anschließend bewegte er sich auf die Jungs zu. Evan streckte die Arme nach ihr aus und versuchte, sie von Nick herunterzuschubsen.
»Hey, das ist gegen die Spielregeln, keine Hände!«, rief sie empört – da verlor Martin plötzlich das Gleichgewicht und fiel mit Evan um.
»Wir haben gewonnen!« Nick legte den Kopf in den Nacken und grinste Julie an.
Tief zu ihm gebeugt wisperte sie: »Du hast geschummelt.«
»Na und? Evan doch auch.«
Nachdem die anderen aufgetaucht waren, sagte Martin, mit einem Blick auf Nick: »Hey, du hast mir die Beine weggezogen!« Mit einem Kampfschrei stürzte er sich auf ihn, und Julie flog von seinen Schultern. Sie tauchte unter, kaltes Salzwasser drang in Nase, Mund und Ohren. Mit dem Rücken lag sie auf dem sandigen Meeresboden und hatte Angst, nicht mehr hochzukommen, obwohl sie wusste, dass sie hier stehen konnte. Zudem hatte das eiskalte Nass ihrem erhitzten Körper einen regelrechten Schock versetzt. Sie strampelte panisch, versuchte sich aufzurichten – da schlossen sich plötzlich Hände um ihre Taille und zogen sie nach oben. Nick drückte sie an sich, und sie klammerte sich wie ein
Weitere Kostenlose Bücher