Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
blickte, zielte auch die Pistole.
In Gedanken unterteilte ich das Wohnzimmer in Abschnitte. Der erste reichte vom Sofa halb durch den Raum - eine Entfernung von ungefähr drei Metern. Ich legte sie zurück und fand hinter einer großen TV/Hi-Fi- Kombination Deckung, während ich die Tür zur Diele kontrollierte. Sie stand weiter offen.
Draußen bewegte sich nichts. Als ich in die Diele hinaustrat, schloß ich die Wohnzimmertür hinter mir. Dann bewegte ich mich auf die Küchentür zu. Der Türknopf war rechts angebracht, und die Tür ging nach innen auf. Ich blieb am linken Türrand stehen, wo sich die Angeln befanden, und horchte. Über meine schweren Atemzüge und meinen lauten Puls hinweg hörte ich einen Idioten im Radio sagen: »Am Arbeitsplatz verletzt? Lassen Sie unsere erfahrenen Anwälte eine Entschädigung erstreiten - und denken Sie daran: kein Erfolg, kein Honorar.«
Mein rechter Arm war angewinkelt, aber die Pistole befand sich weiter vor meinem Körper. Ich beugte mich zum Türgriff hinüber, drehte ihn, öffnete die Tür einen kleinen Spalt und trat gleichzeitig weiter zurück. Ich stieß sie von links noch etwas weiter auf, um zu sehen, ob aus der Küche irgendeine Reaktion kam.
Außer dem Radio hörte ich jetzt auch eine Waschmaschine, deren Trommel sich drehte, stoppte und sich dann weiterdrehte. Aber sonst passierte nichts.
Durch den schmalen Türspalt konnte ich einen kleinen
Teil der Küche überblicken. Ich streckte meine linke Hand aus und stieß die Tür ganz auf. Noch immer keine Reaktion. Ich schob mich langsam um den Türrahmen.
Als der Winkel zwischen dem Rahmen und meinem Körper sich vergrößerte, konnte ich allmählich einen immer größeren Teil der Küche überblicken. Ich ließ mir Zeit, um die aufgenommenen Informationen verarbeiten zu können. Falls ich reagieren mußte, würde die Tatsache, daß ich den Türrahmen vor mir hatte, meine Zielsicherheit nicht beeinträchtigen; wäre das der Fall gewesen, hätte ich meinen Beruf verfehlt. Mit dem rechten Daumen schaltete ich per Knopfdruck das Laservisier ein. Auf einer Küchenwand zeichnete sich ein brillantroter Leuchtpunkt ab.
Ich beugte mich nach vorn, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Falls jemand in der Küche war, würde er nur einen Teil meines Kopfes sehen und darauf reagieren müssen - nicht auf den ganzen Don Johnson.
In der Küche sah es aus wie an Bord der Marie Celeste. Auf der Arbeitsplatte lagen Gemüse und Fleisch für eine größere Mahlzeit bereit. Kev hatte gesagt, Marsha würde etwas besonders Gutes kochen. Ich schloß die Küchentür hinter mir. Aus dem Radio kam jetzt Softrock, und die Waschmaschine schleuderte. Der Tisch war halb gedeckt, was mich wie ein Stich ins Herz traf. Kev und Marsha achteten konsequent darauf, daß ihre Töchter im Haushalt mithalfen; der Anblick dieses halbgedeckten Tischs machte mich betroffen, weil er die Chancen erhöhte, daß die Mädchen tot waren oder in einem der Zimmer im Obergeschoß von irgendeinem
Schweinehund festgehalten wurden, der sie mit einer Waffe bedrohte.
Ich ging langsam durch die Küche und sperrte die Tür zur Garage ab. Ich wollte nicht das gesamte Erdgeschoß absuchen, um dann zu erleben, daß die Jungs hinter meinem Rücken hereinkamen.
Ich war jetzt verdammt nervös. Waren Marsha und die Kinder noch im Haus, oder hatten sie flüchten können? Ich konnte nicht einfach abhauen. Die Scheißkerle, die Kev das angetan hatten, waren zu allem imstande. Ich spürte, wie meine Magennerven sich verkrampften. Was zum Teufel würde ich oben vorfinden?
Ich ging wieder in die Diele hinaus. Meine Pistole zielte dabei auf die Treppe, die ich jetzt vor mir hatte. Das letzte Zimmer im Erdgeschoß, das ich noch nicht abgesucht hatte, war Kevs Arbeitszimmer. Ich legte ein Ohr an die Tür, um zu horchen. Als nichts zu hören war, stieß ich langsam die Tür auf und trat über die Schwelle.
Der Raum war klein, gerade groß genug für ein paar Aktenschränke, einen Schreibtisch und einen Bürostuhl. Das Wandregal gegenüber dem Schreibtisch war voller Bücher und gerahmter Photos, die Kev bei allen möglichen Sportarten zeigten. Das alles lag jetzt auf dem Fußboden; auch sämtliche Papiere aus den Aktenschränken waren herausgerissen und auf dem Boden verstreut. Nur Kevs PC war nicht demoliert. Aber der Monitor, auf dem noch jetzt ein Bildschirmschoner der British Army lief, den ich Kev einmal aus Witz geschickt hatte, lag umgeworfen auf der Tischplatte.
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