Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
nickte.
Die Telefonzelle stand neben einem koreanischen Lebensmittelgeschäft. Es nieselte noch immer. Ich konnte die Rollgeräusche von Autoreifen auf dem nassen Asphalt hören, als ich die Straße überquerte.
Ich warf mehrere Quarter ein und wählte.
»Britische Botschaft, guten Abend«, sagte eine Frauenstimme. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte bitte den Militärattache sprechen.«
»Sagen Sie mir bitte Ihren Namen?«
»Nick Stamford.« Scheiße, ich hatte schließlich nichts zu verlieren.
»Danke. Augenblick, bitte.«
Wenige Sekunden später fragte eine energische Männerstimme: »Stamford?«
»Ja.«
»Warten Sie.«
Ich hörte einen pfeifenden Dauerton und glaubte schon, ich sei wieder abgeschnitten worden. Aber als ich eben einhängen wollte, hörte ich plötzlich Simmonds’ Stimme. Mein Anruf mußte nach London weitervermittelt worden sein. Gelassen wie immer sagte er: »Sie scheinen gewisse Schwierigkeiten zu haben.«
»Schwierigkeiten ist nicht das richtige Wort dafür.«
Ich berichtete in verschleierter Sprache, was seit
meinem letzten Anruf passiert war.
Simmonds ließ mich ausreden, ohne mich zu unterbrechen. »An sich kann ich nicht allzuviel tun«, sagte er dann. »Sie verstehen natürlich, in welcher Lage ich mich befinde?« Ich merkte, daß er stinksauer auf mich war. »Sie sind angewiesen worden, sofort zurückzukommen. Sie haben diesen Befehl nicht ausgeführt. Sie hätten Ihren Freund nicht besuchen dürfen, das wissen Sie.« Seine Stimme klang weiter cool, aber ich wußte, daß er innerlich kochte.
Ich konnte mir vorstellen, wie er in seinem verknitterten Hemd und der ausgebeulten Cordsamthose an seinem Schreibtisch saß, auf dem neben einem gerahmten Familienphoto ein Stapel brandheißer Faxe aus Washington lag, die dringend bearbeitet werden mußten.
»Das ist nichts im Vergleich zu der Situation, in die ich Sie bringen kann«, stellte ich fest. »Ich habe Material, das Ihren ganzen Laden bloßstellen kann. Und Sie können sich darauf verlassen, daß ich Journalisten finde, die sich dafür interessieren. Ich bluffe nicht. Ich brauche Hilfe, um aus dieser Scheiße rauszukommen, und ich brauche sie sofort.«
Am anderen Ende entstand eine Pause, als warte ein geduldiger Vater das Ende des Wutanfalls seines Kindes ab.
»Ihre Position ist ziemlich schwierig, fürchte ich«, sagte er dann. »Ich kann nichts für Sie tun, bevor Sie irgendeinen Beweis dafür beibringen, daß Sie nicht in diese Sache verwickelt sind. Ich schlage vor, daß Sie herauszubekommen versuchen, was genau passiert ist. Dann können wir darüber reden, und ich kann Ihnen vielleicht helfen. Was halten Sie von meinem Vorschlag? Sie können auch Ihre Drohung wahrmachen, aber davon möchte ich Ihnen abraten.«
Ich spürte, wie meine Magennerven sich verkrampften. Unabhängig davon, ob sie mir diesmal halfen oder es darauf ankommen ließen, ob ich nur geblufft hatte, würde ich den Rest meines Lebens auf der Flucht sein. Die Firma mag es nicht, erpreßt zu werden.
»Mir bleibt praktisch nichts anderes übrig, nicht wahr?«
»Ich freue mich, daß Sie das einsehen. Bringen Sie mir, was Sie finden.«
Am anderen Ende wurde aufgelegt.
Während mein Verstand auf Hochtouren arbeitete, betrat ich das koreanische Geschäft. Ich kaufte ein Haartönungsmittel, das sich angeblich mit zwölf Wäschen entfernen ließ, und einen Haarschneider. Außerdem kaufte ich Toilettenartikel und Rasierzeug, weil wir in Washington nicht wie zwei Landstreicher herumlaufen durften. Dann füllte ich meinen Einkaufskorb mit Coladosen aus dem Kühlschrank und legte Äpfel und Süßigkeiten dazu.
Ich konnte keinen Micky D’s finden und landete schließlich in einem Burger King. Ich kaufte zwei MegaDeals, mit denen ich ins Motel zurückging.
Ich klopfte an die Zimmertür, als ich sie aufsperrte. »Rate mal, was ich mitgebracht habe? Hamburger, Fritten, Apfelkuchen, heiße Schokolade .«
An der Wand neben dem Fenster stand ein kleiner Rundtisch. Die Tragetaschen flogen aufs Bett, und ich warf die Hamburger schwungvoll wie ein heimgekehrter Jäger auf den Tisch. Nachdem ich die Papiertüten aufgerissen hatte, um ein Tischtuch zu haben, kippte ich die Fritten aus und riß die Saucen auf, bevor wir uns beide über das Essen hermachten. Kelly war anscheinend völlig ausgehungert.
Ich wartete, bis sie den Mund richtig voll hatte. »Hör zu, Kelly, du weißt doch, wie große Mädchen dauernd ihr Haar färben und daran herumschneiden
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