Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
verteidigen wollte.
Ich rief wieder: »Sarah! Sarah !«
Der Angreifer reagierte darauf, indem er leicht den Kopf hob, um noch lauter zu schreien. Das gab mir Gelegenheit, einen Kopfstoß anzubringen, für den er sich umgehend revanchierte. Dann geschah etwas, das die Lage zu meinen Ungunsten veränderte. Normalerweise spürt man bei einem Kampf dieser Art keine Schmerzen, aber ich fühlte plötzlich einen stechenden Schmerz am linken Ohr. Seine Zähne gruben sich in den Rand meiner Ohrmuschel. Der Scheißkerl biss schwer atmend in den Knorpelrand meines Ohrs und machte sich schnaufend daran, ein Stück herauszureißen.
Ich fühlte die nun einsetzende Kapillarblutung als nassen warmen Strom, der über meine linke Kopfseite lief. Der Kerl schnaubte und schnaufte noch lauter, dann knurrte er wie im Blutrausch zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich
versuchte weiter, mit den Händen mein rechtes Bein zu erreichen, um an die Pistole heranzukommen, was nicht dazu beitrug, mein Ohr intakt zu halten.
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Dann gelang es mir, den Unterleib des Syrers mit den Beinen zu umklammern. Ich versuchte, seinen Wanst zwischen meinen Schenkeln einzuquetschen, bekam aber kaum die Füße zusammen. Dann schien sein Schnauben sich etwas von
meinem Gesicht zu entfernen, was für mein Ohr
ausgesprochen schlecht war. Im nächsten Augenblick riss er den Kopf zurück und nahm den oberen Rand meiner
Ohrmuschel mit.
Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Schweißbrenner auf meine linke Gesichtshälfte gerichtet, aber da mein Gegner sich etwas aufgerichtet hatte, konnte ich anfangen, mit beiden Händen seinen Kopf zu umfassen. Das Gesicht über mir war mit meinem Blut verschmiert, und aus seiner Nase lief Schleim, während er mit noch immer fest
zusammengebissenen Zähnen keuchend nach Atem rang. Als meine Finger seine Augen erreichten, umklammerte er mich noch fester, schüttelte heftig den Kopf und begann zu kreischen, als ich ihm meine Daumen in die Augenhöhlen grub. Er versuchte, mich in die Finger zu beißen. Ich ließ meine rechte Hand seitlich nach unten gleiten, bis sie flach unter seinem Kinn lag, während meine linke Hand nach oben zu seinem Hinterkopf glitt, bis sie einen Haarschopf zu fassen bekam.
Man kann einem Menschen nicht einfach den Kopf
herumdrehen, um ihm das Genick zu brechen. Dazu ist die Konstruktion zu gut. Stattdessen muss man ihn sozusagen mit einem kurzen Ruck abschrauben, wie man eine Milchflasche aufschraubt. Man versucht, den Kopf am Atlas, dem obersten Halswirbel, abzudrehen. Das ist relativ einfach, wenn der Betreffende steht, denn sobald man ihn aus dem Gleichgewicht 37
bringt, geht der Körper zu Boden, und man kann seine Bewegungsenergie nutzen, um ihm mit einem einzigen Ruck das Genick zu brechen. Aber das ging hier nicht; es war schon mühsam genug, ihn mit beiden Beinen umklammert zu halten, damit er nicht mehr ausweichen konnte.
Dann schaffte ich es, meine Stiefel miteinander zu verhaken, und konnte endlich seinen Körper mit den Beinen nach unten drücken, während meine Hände weiter seinen Kopf gepackt hielten. Während wir uns anschrien, drehte ich mit aller Kraft weiter. Das gefiel dem Scheißkerl nicht; er wusste genau, was ich vorhatte, war aber zu meinem Glück zu alt und zu fett, um viel dagegen unternehmen zu können.
Sein Genick brach mit einem nicht allzu lauten Krachen. Er verstummte abrupt und sank über mir zusammen, ohne dass sein Körper auch nur gezuckt hätte. Meine Hände waren voller Blut, Nasenschleim und Speichel. Ich wälzte mich zur Seite und stieß den Toten von mir weg.
Mein Car 15 lag keine eineinhalb Meter von mir entfernt.
Ich hob es auf und kontrollierte, ob das Magazin noch fest saß und die Waffe noch schussbereit war. Ich wollte zurück, um Sarah zu holen, aber nach ein paar Schritten kehrte ich wieder um und lief zu dem Syrer zurück. Draußen wurde wieder geschossen, und ich hörte Leute – Briten und Araber – etwa dreißig Meter von mir entfernt brüllen und schreien.
Eigenartig, wie nebensächlich einem solche Details
vorkommen, wenn man andere Sorgen hat.
Nach hastiger Suche entdeckte ich, dass der Syrer das aus meinem linken Ohr herausgebissene Knorpelstück noch im Mund hatte. Ich hielt mich nicht mit dem zwecklosen Versuch auf, die Blutung aus der Ohrmuschel zu stoppen, denn ich 38
wusste aus Erfahrung, dass Kapillarblutungen ewig anhalten.
Irgendwann würde sie von selbst aufhören. Aber ich würde mir das abgebissene Stück wieder
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